Wir serbischen Wiener

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Was mich mit Milo Dor verbindet.

Milo Dor * 1923

Schriftsteller

Nach dem Krieg war ich 1952 zum ersten Mal in Deutschland und lernte den noch kaum bekannten Heinrich Böll kennen. Er machte mich auf einen Landsmann und sein Buch mit dem Titel "Tote auf Urlaub" aufmerksam. So erfuhr ich aus dem Munde des späteren Nobelpreisträgers von der Existenz von Milo Dor. Viel später habe ich gehört, dass er als Milutin Doroslovac geboren ist, dass wir einige Zeit lang gleichzeitig in meiner Geburtstadt Zrenjanin gelebt haben und vieles andere, was uns bis heute verbindet.

Die erste Ausgabe seines ersten Romans, den mir Böll gegeben hat, habe ich ihm später geschenkt, weil er keine mehr besaß. Aber aus ihr habe ich die erste, kürzere Version ins Serbische übersetzt, die komplette später.

In zwei Sprachen zu Hause

Milo gehört zu den Menschen, die anders als so manche, die seit langem im Anderswo leben, seine Muttersprache genau so perfekt und mit dem Akzent eines Intellektuellen spricht, als habe er die Heimat nie verlassen. Trotzdem mochte er nicht sich selbst übersetze, behauptete, er könne es nicht. Das habe ich ihm nicht geglaubt, aber Recht hat er trotzdem.

Mag sein, er wollte sich durch die Konfrontation mit dem Text nicht noch einmal mit der Folter auseinander setzen, nicht nur dem Schmerz, sondern auch der Erniedrigung durch die Schergen der Nazis. Außerdem weiß ich aus eigener Erfahrung, dass man, wenn man sich selber übersetzt, immer etwas neues schreibt, weil man sich nicht an die Vorlage des Autors halten muss. Das hat übrigens der große spanische Dichter, der auf Französisch schrieb, Jorge Semprún, bestätigt. Unter Franco konnte er seine Werke nicht in Spanien veröffentlichen. Als das nach dem Fall des Diktators möglich wurde, lehnte er es ab, seine Bücher neu zu schreiben, weil er, wie er sagt, sonst lebenslang dasselbe von Französisch auf Spanisch und zurück hin und her übersetzen müsste.

Die literarische Bedeutung von Milo Dor ist dermaßen belegt, dass es müßig ist, große Worte darüber zu machen. Die Bewertung seines Opus muss Gegenstand von Dissertationen sein. Deshalb will ich auf drei andere Bereiche seines Schaffens hinweisen.

Kritischer Publizist

Vor allem auf seine Publizistik, von der auch seine Mitarbeit in der Furche zeugt. Er war und ist ein viel zu gesellschaftlich engagierter Mensch, als dass er sich mit der langsamen Wirkung der Bücher begnügen wollte.

An zweiter Stelle sei seine Tätigkeit als Übersetzer genannt. Vor allem aus den südslawischen Sprachen hat er kongenial eine ganze Bibliothek übersetzt. Ich glaube, mit der Qualität, aber auch Quantität dieser Arbeit ist er einzigartig in der Weltliteratur.

Kongenialer Übersetzer

Dank seiner Energie und Durchsetzungskraft als Vertreter seiner Kollegen in literarischen Vereinen, die er mitbegründet, vor allem aber jahrzehntelang geleitet hat, hat er für österreichische Autoren ein Sicherheitsnetz für soziale Bedürfnisse und professionellen Schutz geschaffen, für den die Autoren dankbar sind und die Republik Österreich gleichzeitig stolz sein kann.

Zu den schönsten Gaben, die mir das Leben verliehen hat, gehört, dass ich Milo Dor meinen Freund nennen darf.

Der Autor wurde 1929 in Zrenjanin (Banat) geboren, lebt als freier Schriftsteller in Wien und Belgrad und hat viele Beiträge für die Furche geschrieben.

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