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Wo bleibt der österreichische Film?

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Einst waren die Tage um Neujahr angefüllt mit großen Premieren in unseren Lichtspieltheatern, doch die Zeiten haben sich geändert. Ein wirkliches Filmereignis blieb diesmal aus. Seit mehr als einem Jahr läuft der Großfilm „Doktor Schi- wago“ und beweist immer noch seine immense Anziehungskraft.

Von den neuen Filmen ist Claude Lelouchs „Lebe das Leben“ zu erwähnen, der das ewig interessante Thema des großen Erstlingserfolges „Ein Mann und eine Frau“ neuerlich aufgreift und variiert. Ein verheirateter französischer Fernsehreporter verfällt in leidenschaftlicher Liebe einer attraktiven Amerikanerin, doch zuletzt erweist sich die Bindung zu seiner ersten Frau als tiefer und stärker. Den Film zeichnet wieder eine virtuose formale Gestaltung aus, wenngleich auch Stil und Technik, die im ersten Film so blendend originell anmuteten, bei dem zweiten Streifen als Wiederholung wirken und an Kraft dadurch einbüßen. Es besteht fast die Gefahr, daß die eigenwilligen Gestaltungsmittel zur „Masche“ werden, und das wäre bedauerlich, verriet doch Lelouch ernstzunehmende sittliche Wertnormen, die sich von der derzeit modischen Dekadenz wohltuend abheben. Yves Montands verwittertes Gesicht versteht es ausgezeichnet, seelische Regungen transparent zu machen. Die großartige Französin Annie Gi- rardot hält konstant ihr künstlerisches Leistungsniveau.

Eine sympathische Gestalt begegnet uns in „Dr. Dolittle“. Eine humorvolle und herzerfrischende Familienunterhaltung, die trotz einiger Konzessionen an das erwachsene Publikum in Form von schauderhaft synchronisierten Liedern, besonders die Kinder auch im neuen Jahr entzücken wird, obwohl die zweieinhalbstündige Dauer des Cinemascopefarbfilms an die Auffassungskraft der Kinder beträchtliche Anforderungen stellt.

Erfreulicherweise im Abnehmen begriffen ist die Welle der harten Agentenfilme, während die Wildwestabenteuer wieder an Boden gewinnen. Italien liefert sogar einen abendfüllenden Zeichentrickfilm in Farben der sich „Der wildeste Westen" betitelt. Die Standardelemente des „Westeners“ werden in köstlicher Weise parodierend aufs Korn genommen.

Zum Jahresbeginn aber sollte auch noch ein wienig erfreulicher Umstand erwähnt werden: Der österreichische Film. Weit und breit keine Spur von seiner Existenz und das in einem Land, das so gerne auf seine musischen Begabungen hinweist und in dem einstens und unter schwierigsten Verhältnissen und in Krisenjahren ein Sascha Kolowrat, ein Willy Forst und Karl Hartl, Gustav Ucicky und G. W. Pabst, Drehbuchautoren und Kameraleute wirkten, die Werke der Filmgeschichte schufen, die Österreich in der internationalen Filmwelt einen beachteten Platz schufen. Und heute 1968? Österreich verfügt über leistungsfähige Kurz-, Dokumentar- und Kulturfilmproduktionen. Wagt keiner den Sprung zum österreichischen Film? War nicht der Streifen „Es“ des jungen deutschen Filmschaffens ein Signal, daß es geht? Noch dazu bei dem bekannten und

Das Ensemble Musica Antiqua, das seit Jahren wegen seiner stilistisch korrekten Interpretationen gotischer bis frühbarocker Musik international geschätzt wird, hat in Wien seinen Zyklus „Alte Musik der Nationen“ mit Deutschen Turm- und Festmusiken eröffnet und widmete sein Dezember-Konzert den Kompositionen der habsburgischen Kaiser. Über Einladung des Dritten Deutschen Fernsehens dies WDR spielte es kürzlich in München Musikbeispiele des 15. bis 17. Jahrhunderts für rund dr ei ßig Kur z- filme. Der Regisseur der Streifen, Klaus Lindemann, bemühte sich dabei um eine dem Medium Fernsehen möglichst gerechte Aufzeichnung, in der keine Einblendung alter Gemälde und romantischer Szenerien das musikalische Erlebnis beeinträchtigen.

Etliche dieser Stücke, darunter eine ganze Reihe, die das Ensemble überhaupt zum erstenmal öffentlich spielte, hörte man im Festkonzert, das die „Freunde Alter Musik in Basel“ im Hans-Huber-Saal veranstalteten. Im großen gesehen bot dieser Abend eine imponierende Revue deutscher, flämischer und österreichischer Meisterwerke, darunter die sprachlich und musikalisch ungemein geistvollen Humanistenoden, wie Petrus Tritonius’ „Iam satis terris“, dann Paul Peuerls elegante Tanzsätze und sein melodisch hinreißendes „O Musica“.

Jacob Obrechts „O vos omnes", von einem Posaunenterzett präzise, in leicht herbstlich dunklen Nuancen interpretiert, der berühmte „lÄdove Tance“, etwa um 1400 entstanden, eine bravouröse Piėce, deren artistische Ornamentik und rasante Läufe Renė Clemencic virtuos auf der Diskantblockflöte vortrug, oder Tilman Susatos effektvolle Sätze „Narrentanz“, „Tausendfache Reue“, „Die Schlacht" rissen das Publikum zu stürmischem Applaus hin. Das Ensemble selbst, von Clemencic mit straffer Zeichengebung geführt, musizierte klangschön, auf klares Lineament und gute Proportionen bedacht.

unbekannten Schauspielerpotential Österreichs? Es muß kein „Doktor Schiwago“ sein und bestimmt kein „Kongreß amüsiert sich“, weder Kostüm noch Salzkammergutdimdl, es müssen Menschen von heute — nicht Schablonen sein, mit Herz — nicht Sentimentalität, mit einem Schicksal ohne Illustriertenkolportage und Dekadenzgestammel. Liegen die Stoffe nicht immer in der Luft der Zeit? Etwa das ewige Thema: Ein Mann und eine Frau... seit es ein Kino gibt, eigentlich seit es Menschen gibt!

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