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Hansjörg Zauner schafft poetische Luxusgüter und sprengt Dogmen des Denkens.

Mehr als ein Dutzend Bücher hat Hansjörg Zauner, Sprachartist mit eigenwilligen "Denkfiltern" und Professionist an seiner speziellen "wortmähmaschine", schon vorgelegt und alle sind poetische Luxusgüter. So ist denn auch "Luxus" der Titel des neuen Bandes, der 15 Abschnitte umfasst. Wie immer sind die angedeuteten Handlungselemente, etwa die Arbeit an der Verfilmung seiner 1999 erschienenen Prosastücke "Jolly", nicht das Entscheidende.

Radikale Spracharbeiter wie Hansjörg Zauner haben es in der Rezeption schwer; sie kommen im Besprechungsgetriebe kaum vor. Oder sie finden Fürsprecher, deren hermetische Lobrede sich schwerer erschließt als das besprochene Buch. Denn Zauners sprachliche Kopfstände und Salti sind ein absolutes Lesevergnügen und hervorragend geeignet, allzu bequeme und selbstgefällige, also primär handlungsorientierte Lesehaltungen in Frage zu stellen - oder zumindest darauf hinzuweisen, dass es auch andere produktive Möglichkeiten des Umgangs mit Sprache gibt als einlässiges Erzählen.

Wörter im Wandel

Der "Luxus", den sich Zauner leistet, ist die radikale Schubumkehr von Aktion und Reaktion; mit seiner alle Augenscheinlichkeiten kühn zerhackenden und neu komponierenden Textarbeit zieht er dem Leser Zeile für Zeile den Boden unter den Füßen weg und damit alle Sicherheiten, in einer Art, die über den Akt des Lesens hinausgeht. "transaktionen taumeln. begrifflichkeit vertuscht. textzeilen spritzen" in diesen sprachlichen Suchbewegungen nach den "sprachhohlräumen", um "mund im kuss verdrängter wörter" zu finden. Dieser Autor lässt keinem Wort und keinem Sachverhalt seine Gestalt und beschenkt den Leser für seine Mühe fortwährend mit poetischen Wortgebilden und Bildfantasien. Besonders reich sind Zauners zoologische Neuentdeckungen: nilschampuspferde, bettleiersängerwanzen, haipferdschneckenmotten, schmetterrehlinge oder turbohornissenlöwen wünscht man sich ins Bild gesetzt - Peter Hammerschlag hätte das gekonnt. So erhielten sie vielleicht auch zusätzliche Dauer, denn prinzipiell, so Zauner, sind "wackelwortkontakte wie fruchtfliegen sie leben nur wenige tage."

Der Preis für die poetischen Fundstücke, die entstehen, wenn Zauner seinen "bildschönhahn" aufdreht, ist eine fortwährende Störung aller Denk- und Wahrnehmungsgewohnheiten. Man kann sich das so vorstellen: Zauner liest Zeitung und mischt Partikel der Berichte so auf, dass der ganz normale Wahnsinn wie zum ersten Mal sichtbar wird. "gläserne niere verkauft ihre villa mit seeblick ganz freiwillig dieser textstelle." Oder: "tiefe haft starb darauf im terroristen ließ sich als herzanfall vergöttern." Oder: "natürlich wurde beschlagnahmtes spanien vom tropenholz ausgeliefert berichteten mindestens drei millionen euro der bestochenen polizei." Und: "ganz sicher wird mafia von rücksichtloser wirtschaft missbraucht heißt es neuerdings ganz schadenfroh." Zauner hält das wild aufgemixte Realitätsmaterial stets sichtbar und rückt in der sprachlichen Pirouette die Dinge gewissermaßen zurecht.

Satz- und Denkkapriolen

Gerne bürstet Zauner auch den Sprachgebrauch des Chronikteils gegen den Strich. "erschrocken fuhr die kreuzung über die stopptafel neben dem auto und zersägte jeden fragenden sinn. rechtsnudelkurve im lkw ums leben gekommen berichtet dann dieser unfall dem lenker hier ganz sonnig zugelächelt." Doch Zauners Satz- und Denk-Kapriolen zielen fast immer auf ein Konkretes. "schräge sonic-youth-töne mauerten sommerregen ein", heißt es etwa über die späte akustische Rache jener jungen Erstwagenbesitzer, die schon im Kinderwagen durch die Verkehrslärmhöllen geschoben wurden. Schwungvoll sind auch seine Analysen des Zeitgeists im ersten Abschnitt des Buches, in dem die "ichaghaufen" ihre "glückskeske mit zeitlupenschaum bepinseln … im locker dastehenden schiebetürgelächter" und bestrahlt vom "scheinblinzelwerfer". So dicht können Befunde sein, die aus einem "zerschneiden das sprechen" (so ein Buchtitel von 1989) entstehen.

Hansjörg Zauner hält seine Verfahrensweisen den ganzen Band durch - ohne dass sich die Kurve seiner Sprachgewalt verflachen würde. Trotzdem empfiehlt sich, um Ermüdungs- und Unaufmerksamkeitserscheinungen vorzubeugen, eine portionenweise Lektüre. Jeden Tag eine kleine Etappe "Luxus" ist ein apartes Mittel, das Hirn gut durchzulüften und die Wachsamkeit für eingefahrene Strukturen im Denken, Tun - oder Schreiben - zu schärfen.

LUXUS

Von Hansjörg Zauner

Czernin Verlag, Wien 2008

143 Seiten, geb., € 19,80

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