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Zauberflöte im Zirkuszelt

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Die hochkarätigen Sänger verhindern den totalen Absturz der neuen Inszenierung von Mozarts „Zauberflöte”.

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Die hochkarätigen Sänger verhindern den totalen Absturz der neuen Inszenierung von Mozarts „Zauberflöte”.

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Er hat lange davon geträumt, seinen Hamburger Erfolg mit Mozarts „Zauberflöte” noch einmal auf einer monumentalen Bühne zu verwirklichen: Achim Freyer, der deutsche Regisseur, Bühnenbildner, Maler und Theatermanager, erfüllte sich diesen Wunsch - gemeinsam mit dem Dirigenten Christoph von Dohnanyi nun bei den Salzburger Festspielen.

In der Felsenreitschule zelebrierte er dieses mit Spannung erwartete Musiktheaterereignis. Und erlebte trotz einiger reizvoller Bilder und kluger Anspielungen eine Bruchlandung, die vom Publikum in wütendem Buhgeschrei buchstäblich begraben wurde.

Freyer wollte seine „Zauberflöte” offenbar „entwienern”: Er nimmt vom Wiener Volkstheater und vom wienerischen Papageno Abschied, verabschiedet sich von den magischen Bildern des alten Ägyten wie von der freimaurerischen Symbolik. Das menschlich tief empfundene Spiel um Liebe, Edelsinn, humanistische Ideale, Machtgier und Moralprüfungen rückt er in ein Zirkuszelt, in dem Mozarts Figuren als traurige Clowns - oder sollte man besser blasse Marionetten sagen? - in mystischen Kreisen vegetieren. Die Felsenreitschule wurde dafür aufwendig verbaut. Und Klaus-Peter Kehr „entrümpelte”, zauste und veränderte dafür den Schikaneder-Text, daß einem das Grausen kommt...

Freyer, der alte Zauberer, konnte es nicht lassen: Die Phantasie geht mit ihm durch. In seiner von hun-derten Glühbirnen erhellten Zirkuskuppel hält er seine Theatermaschine quasi drei Stunden unter Volldampf. Und beschwört eine Sturzflut der ßildpr und Symbole, die man leider aber großteils bereits kennt. Manches aus seiner Hamburger „Zauberflöte”, anderes aus anderen Operninszenierungen oder aus seinen Burgtheaterproduktionen. So ein Ballett der Tiere und Schattenwesen; Sarastro als weißen Riesen, der mit seinen metergroßen Pranken die ganze Bühne buchstäblich im Griff hat; Papageno, nun ein sächselnder Clown, ein Hosenmatz, muß mit seiner Papagena ins Planschbecken; der Chor muß in Straßenbekleidung auf den Zuschauertribünen Platz nehmen; durch den Raum fliegen Vögel, Briefchen, die drei Knaben und so weiter ...

Aber trotz dem gigantischen Aufwand sitzt der Zuschauer ungerührt: Das kalte Techno-Spektakel hat keinen Charme, übt keinen Theaterzauber aus. Oder wie Otto Schenk sagen würde: „Da menschelt's keinen Moment”.

Schwer enttäuscht aber auch von Christoph von Dohnanyi sein Publikum: Sein Mozart ist kalt, trocken, lieblos, Mozart blüht nicht auf. Die Wiener Philharmoniker, die's natürlich auch ganz anders könnten, spielen ihren „Dienst nach Vorschrift” (um mit Dohnanyi nicht erneut einen Krach zu provozieren). Die hochkarätige Sängerbesetzung verhindert immerhin den ärgsten Absturz: So Rene Pape als würdevoller Sarastro und die fabelhafte Nathalie Dessay als (Kolo-raturen-)Königin der Nacht, Michael Schade und Sylvia McNair als sanfte, wunderbar singende Liebende Tami-no und Pamina, Hermann Prey als ehrwürdiger Sprecher (in einer Säule versteckt!), Mathias Goerne und Olga Schalaewa als zumindest verläßliches Paar Papageno und Papagena, Robert Wörle als solider Mono-stratos ...

Das Fatale ist nur, daß die Salzburger Festspiele für die kommenden Jahre mit diesem - sündteuren - Problemfall leben müssen. Intendant Gerard Mortier hat eine Chance verspielt: Die Hoffnung auf eine Mozart-Dramaturgie und einen gültigen Salzburger Mozart-Stil kann man nach der mutwillig verspielten „Entführung aus dem Serail” und dieser „Zauberflöte” wieder einmal begraben.

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