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DER FUCHS UND DIE KAMELIE. Roman. Von Ignäzio Silone. Kiepen- heuer-&-Witsch-Ver!ag, Köln-Berlin 1960. 174 Seiten.

SPUREN IM WIND. Erzählung. Von Franz B a h 1. Pannonia-Verlag, Freilassing 1960. 94 Seiten.

JAHRE IN HEXENWIESE. Von Pierre- Henri Simon. Pannonia-Verlag, Freilassing 1961. 336 Seiten.

GLÜCK AUF KLEINER FLAMME. Roman. Von Hajo Sänke. J.-P.-Bachem- Verlag, Köln 1961. 206 Seiten. Preis 11.80 DM.

Es ist immer wieder überraschend für den Leser, wie bruchlos Silone in seinem belletristischen Werk politische und gesellschaftskritische Anliegen mit echten menschlichen Problemen zu verbinden und sie dichterisch zu gestalten vermag. In dem kleinen Roman „Der Fuchs und die Kamelie” nimmt er sein altes Thema — die Auseinandersetzung mit dem Faschismus — auf und zeigt am Modell eines Familienschicksals den Konflikt zwischen politischem Engagement und persönlichen Bindungen, der hier eindeutig durch den

Triumph, des, Menschlichen gelöst wird. Die ideologischen Gegensätze zwischen seinen Figuren’, die zunächst zu tragischen Verstrickungen führen, werden schließlich im Geist einer schönen Versöhnlichkeit überwunden, die auch im Andersdenkenden den ernst zu nehmenden Menschen und die Beweggründe seines Handelns achtet. Die Fabel des Romans ist betont einfach. Silone verschmäht alle nur äußeren Spannungsmittel: aber die innere Entwicklung seiner Gestalten wird meisterhaft gezeichnet. Und seine klare, herbe Prosa zu lesen ist ein Genuß.

Franz B a h 1 gelingt in seiner kleinen Geschichte „Spuren im Wind”, den Leidensweg der Donauschwaben nach dem Krieg lebendig zu schildern.

„Warum, warum mußte das sein? Was hatten sie bloß getan? Ein Leben lang gearbeitet, Gott gegeben, was Gottes ist, und dem Staat, was des Staates ist Deutsche — das war alles, und das konnte doch kein Verbrechen sein .. Die gleiche Frage, die sich auch Millionen von der anderen Seite Verfolgte gestellt haben: die Juden, die Polen, all die persönlich Unschuldigen, die als Angehörige eines gerade diffamierten Volkes, einer geschmähten Rasse oder Partei geschunden und gemordet wurden. Sc weitet sich diese Geschichte der donauschwäbischen Bäuerin Kathi Beranek, die ihr slawischer Name zunächst vor dem Martyrium ihrer deutschen Dorfgenosser bewahrt, ins Allgemeine. Ihr Schicksal steht für das all jener, die, in den teuflischen Kreis des Hasses und der Vergeltung geraten, sinnlos und gnadenlos zugrunde gingen in unserer Zeit.

„So wenig ist menschliches Leben und menschliches Leiden wert. Nie gewesen, nicht einmal Spuren im Wind “, sagl Bahl nach der Schilderung einer der trostlosesten Episoden seines Buches, dem Abtransport deutscher Kinder und Jugendlicher nach Bosnien, wo sie „vergessen sollen, daß sie Deutsche sind”. Die Einstellung des Autors scheint uns doch zu pessimistisch. Es kommt ja gerade darauf an, daß wir all die furchtbaren Geschehnisse der Vergangenheit nicht vergessen, daß sie uns veranlassen, an unserem Platz, in unserem kleinen Umkreis mitzuhelfen, daß sie nicht wieder geschehen; daß jenes verhängnisvolle Denken und Handeln im Bann von Ideologien durchbrochen wird, das Menschen zu Unmenschen macht. Das, nicht zuletzt, wird an Bahls dunkler Geschichte deutlich.

In dem Roman „Jahre in Hexenwiese” erzählt ein Franzose die Geschichte einer Dorfgemeinde nach der Vertreibung aus dem Banat. Ein schwerer Neuanfang in dem verwahrlosten schwäbischen Läget Hexenwiese, Not und Elend schweißen die Heimatlosen zu einer festen Gemeinschaft zusammen, in der die alten gesellschaftlichen Unterschiede und persönliche Gegensätze überwunden werden und jeder sich für alle verantwortlich fühlt. So kommt es im Laufe der Jahre zum Bau der Siedlung Neudorf, zur Eingliederung der Banater in die neue Umgebung. Aber mit dem wachsenden Wohlstand fällt die enge Gemeinschaft auseinander, jeder denkt wieder an sein eigenes Wohl und Wehe, die Tüchtigen und Skrupellosen gedeihen üppig in der deutschen Wirtschaftswunderwelt, während Idealisten, wie Elsa Mailleri, die im Lager Hexenwiese unersetzlich waren, eher an Boden verlieren als gewinnen. Das Buch schneidet viele ungelöste Fragen der deutschen Gegenwartssituation an, die ein Außenstehender, wie dieser französische Autor, wohl nüchterner zu übersehen vermag als die von der augenblicklichen Wi*schaftskon- junktur Geblendeten. Seine Überlegungen sind des Bedenkens wert.

Sehr vergnüglich ist die Lektüre von Hajo Sankes herzerfrischendem Eheroman. Die Brücks sind durchaus moderne junge Leute, sie haben auch ihre Schwierigkeiten miteinander und mit> ihrer Umwelt, besonders mit den beiderseitigen Eltern. Aber sie nehmen ihre Probleme positiv, sie wachsen an ihnen nur fester in ihr gemeinsames Leben hinein. Es ist beglückend, daß ein junger Autor das eheliche Leben einmal von dieser Seite aufrollt: als wunderbare und immer wieder neue gemeinsame Aufgabe, die es zu bewältigen gilt. Mit gegenseitigem Verständnis, mit Nachsicht für die Schwächen und Spleens des anderen, mit Fröhlichkeit und viel Humor. Hajo Sänke würzt seine wohltuend einfache Geschichte mit vielen lustigen Zwischenfällen, so daß man bei der Lektüre aus dem Lachen nicht herauskommt. Dabei hütet er sich vor jeder Verflachung seines Themas. Und so gelingt es ihm, zu illustrieren, daß es auch heute junge Menschen gibt, die die Ehe emst nehmen und nicht als ein wahrscheinlich zum Scheitern verdammtes Experiment ansehen, die aber auch das Ihre tun, um sich miteinander einzurichten und miteinander glücklich zu werden. Es waltet da eine innere Ordnung und Sicherheit, die allem Konfliktstoff, der in jeder jungen Ehe enthalten ist, seine Schärfe und Gefährlichkeit nimmt.

MÄNNER, MÄDCHEN UND RAKETEN. Roman von Max Shulman. (Aus dem Amerikanischen.) Paul-Zsolnay- Verlag, Wien-Hamburg. 264 Seiten.

Ein amerikanisches Buch wie dieses lassen wir uns gefallen. Die Amerikaner lachen hier über sich selbst, nicht hintergründig und böse, einfach in fröhlichem and gesundem Spott über ihre Kleinstädterei. In einem Krähwinkel, etwa eine Stunde hinter New York, soll eine Garnison mit Raketenbasis errichtet wer- len. Diese weltbewegende Nachricht erzeugt ein furchtbares Kribbeln im Ameisenhaufen der Krähwinkler. Was ¡ rauchen wir, wie die Einheimischen sagten, „die verkörperte Übermacht des primitiven Geistes?” Auch ohne die Kriegs- nänner (die Sache spielt im tiefsten Frie- len) haben die Kleinstädter schon reich- ich zu tun, sie haben ihren Abfallverwertungs-Untersuchungsausschuß, ihre Bürgerversammlungen und ihr Unabhängigkeitstag-Austernbacken, veranstaltet von ler Männersektion des Hausfrauenklubs. Ganz zu schweigen von der jungen Lehre- ■in mit ihrem Jugendaufklärungskomplex. Kurz, ein amüsant lehrreiches Buch, auch wenn dem Humor des Verfassers manch- nal der Atem ausgeht. 264 Seiten Humor, las ist eben ein bißchen viel, schon gar ■ür einen Amerikaner.

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