6703561-1963_42_04.jpg
Digital In Arbeit

Zu den Akten!

Werbung
Werbung
Werbung

Es ist an der Zeit, den Fall Schöbel samt Ouvertüre und Epilog zu den Akten zu legen. Das innenpolitische Krisenbuch — der wievielte Band wurde aufgelegt? — ist um ein unrühmliches Kapitel reicher, das Koalitionsklima kälter, das gegenseitige Vertrauen geringer geworden. Der Österreicher fragt sich: Wem zu Nutzen?

Die Kulisse für den Höhepunkt des Schauspiels, das beinahe zum Drama geworden wäre, bot die „Allzeit-Getreue“, Wiener Neustadt. Die Sympathie für den Landesherrn und die Antipathie für den erlaßfreudigen Innenminister hatte die politischen Leidenschaften herausgefordert. Und das unerfreuliche Ende? Rote Rollkommandos traten in Aktion — zuerst in Wiener Neustadt, später auch in anderen Orten Niederösterreichs. Die Vergangenheit schien plötzlich wieder Gegenwart geworden.

Der Anlaß für dieses traurige Intermezzo ist bekannt. Der Innenminister setzte den Sicherheitsdirektor von Niederösterreich ab, einen Mann, der sich gleich Olah — bei der Niederschlagung des KP-Putsches im Jahre 1950 bedeutende Verdienste um die Demokratie erworben hatte. (Begründung: Infolge Differenzen zwischen leitenden Sicherheitsbeamten sei die Sicherheit im Lande unter der Enns gefährdet erschienen.) Die Ersetzung des schwarzen Hüters für Ruhe und Ordnung durch einen roten löste in der ÖVP- Hochburg nun keineswegs besondere Gefühle der Sicherheit und Geborgenheit aus. Eine Protestwelle gegen den Innenminister war die Folge. Nun erwartete man von Olah nicht eine Antwort, die auf zarte politische Nerven Rücksicht nimmt. Was aber folgte, war die barsche Aufforderung, „sich um die eigenen Angelegenheiten zu kümmern“, und das offene Bekenntnis zu einer roten Personalpolitik im Innenministerium.

Sicher: die Lehensvergebung im Herzogtum unter der Enns ist von alters her nicht etwas, was man als Schulbeispiel für angewandte Demokratie anpreisen könnte. Aber ist nicht doch ein Unterschied, ob man die nach parteipolitischen Gesichtspunkten ausgetüftelte Pöstchenvergebung ein bißchen zu verschleiern sucht oder ob man sich zur parteipolitischen Machtpolitik in Sachen Personal geradezu bekennt? (Muß das nicht auch auf die Jugend, die ohnehin in der Politik häufig nur ein „schmutziges Handwerk“ sieht, demoralisierend wirken?) Und die Wirkung von Olahs Worten auf die ÖAAB-Mannen im Lande unter der Enns?

öl ins Feuer

Sie waren Öl ins Feuer der politischen Leidenschaften. Jetzt war der. Rubikon erreicht. Der schon lange im Unterbewußtsein aufgestaute Zorn gegen die Führer im linken Lager — Pittermann & Co. hatten durch ihre Verteufelungskampagne dafür gesorgt brach nun auf. Nun mußte man’s dem Volk zeigen, daß nicht die „bösen Rechtsextremisten“ ä la Klaus und Withalm die große Gefahr für die Demokratie darstellen. Da war die willkommene Gelegenheit, um mit deutlichem Fingerzeig auf einen viel gefährlicheren „linken Reformer“ aufmerksam machen zu können.

Der leidenschaftliche Spieler greift nicht selten sofort zum höchsten Trumpf. Also wurde gleich das äußerste Mittel herangezogen. Man blies zum Streit, schmiedete Transparente und braute Parolen. Der Streikadressat Olah wurde als Österreichs Ben Bella angeprangert. Es zeigte sich wieder einmal: Provokationen vergiften das Klima. Auch im innenpolitischen Leben beschwört ein Foul nicht selten ein viel größeres herauf. Zu dieser Konklusion kommt man unweigerlich, wenn man die Zwischenfälle von Wiener Neustadt nüchtern und sachlich betrachtet. Olah ist nun einmal kein Benbella — wenn er auch Figl brüskierte, so hielt er sich doch an die Verfassung —, ebenso wenig wie Klaus ein Dollfuß ist. (Wer heute nur oberflächlich die Parteizeitungen liest, der könnte meinen, aus dem Land der Geiger und Tänzer sei ein Land der Revolutionäre geworden.)

Wenn man den Olah-Streik als demonstrativen politischen „Streik“ nicht gutheißt, kann man trotzdem ein Freund der ÖVP sein. Ein Streik ist eine sehr ernste Sache. In Österreich scheint man nicht einmal mehr in der rechten Reichshälfte dieser Ansicht zu sein. Aber was machte es schon aus — so mag vielleicht der kleine Mann gedacht haben —, wenn einige tausend Beamte in Niedeerösterreich um ein paar Stunden später in die Tintenburgen kamen? Sicher, diesmal mußten wir bloß wegen des Reisepasses um einen halben Tag länger warten, aber schon morgen bekommen wir vielleicht aus ähnlichem Anlaß keine Semmeln und keine Milch oder werden die Hochöfen ausgeblasen. Bevor man zum letzten Aufgebot des politischen

Widerstandes oder der Demonstration greift — und das ist eine Arbeitsverweigerung —, sollten die Volksvertreter ihre legitimen Möglichkeiten ausschöpfen (Mißtrauensvotum). In der Demokratie haben sie dazu das Recht.

Während besagter Streik abrollte und die Gendarmen über „höheren Befehl" den streikenden Straßenbediensteten auf der Autobahn die Transparente Wegnahmen — die roten Gendarmen sollen den Befehl beflissen, die schwarzen zögernd ausgeführt haben —, währenddessen setzten sich im niederösterreichischen Landhaus die der ÖVP angehörigen Landeshauptleute zusammen, um aus dem Fall Schöbel einen für die Föderalisten ganz und gar nicht sehr erfreulichen Schluß zu ziehen.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung