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Zu eindeutige Komödie

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„D as Neue Theater in derScala“ hat sich Großes vorgenommen: als eine Bühne des Volkes will es „Werke der Weltliteratur von gestern und heute“ an den modernen Menschen, zumal an den Werktätigen herantragen und in ihm die Liebe zur Kunst, die Freude am Spiel, die Einsicht in die Problematik der Zeit wecken. — Ein Stab guter, teilweise sogar glänzender Schauspieler und Regisseure, ein beachtlicher Aufwand materieller Mittel. Nun — die Eröffnungsvorstellung bringt eine erste Enttäuschung.

Die „H öllen angst“ war vor hundert Jahren eine Posse mit Gesang, von Johann N e s t r o y. Ein Spiel vom Aberglauben des Schustersohnes Wendelin Pfrim; Kabale und Liebe, Intrigen um die Erbschaft der Baronesse Adele von Stromberg, die von ihrem schurkischen Oheim, einem Bühnenbösewicht ersten Ranges, um ihr Glück und Geld gebracht zü werden droht. Groteske, Burleske um die Teufelsangst des „menu peuple“ des „niederen Volkes“, dazu die alte Mär vom Sichfinden und Sichbinden zweier Liebesleute, die alle Hindernisse, die ihre tückische Umgebung ihnen in den Weg legt, überwinden. — Ein schwaches Stück, das sich mit Nestroys Meisterwerken nicht messen kann.

Was ist aus dieser Posse zwischen Biedermeier, Revolution und Restauration in der Scala geworden? Eine Staffage für die politisierende Schauspielerei eines Mannes — des hochbegabten Karl Paryla. — Im Hydepark in London kann jeder Weltverbesserer, Erzeuger von Wundersalben, Heilsprediger seine Lehre verkünden — auf diesem großen Jahrmarkt der Welt und ihrer Eitelkeiten… Was in London auf einer Fischtonne, einigen schnell zusammengestellten Bierkästen, einer Jahrmarktsbude möglich ist — warum soll dasselbe nicht auf einer Wiener Bühne erlaubt sein? Nestroys Werk ist hier nur Kulisse, bestenfalls thematische Glosse, Bildhintergrund, der immer wieder abgeblendet wird. Der Vorhang schließt sich — und vor ihm steht, immer wieder, einer der echtesten letzten Nachfahren der' großen Wiener Volksschauspieler des 18. und beginnenden 19. Jahrhunderts jawohl, das ist er, mit all seinen Vorzügen und offensichtlichen Mängeln —, eben Paryla. Es quillt und sprudelt, qualmt und stampft, der ganze Leib des von seiner komödiantischen Sendung Besessenen biegt sich, bockt und stöhnt, singt und pfeift… Eine schier unerschöpfliche Quelle vitalen Lebens. Leider ist das Wasser, das aus dieser Quelle fließt, getrübt durch die Abwässer einer sehr einseitigen Zeitlichkeit. Diese Mischung aus (partei-)politischer Glosse, Kabarettulk und weltanschaulicher Grimasse ist nicht jedermanns Sache.

Es ist sehr die Frage, ob die Leitung der Scala mit diesem kommunisierten Nestroy Geschäft machen wird; auch bei noch so billigen Späßen, noch so billigen Eintrittspreisen. Es ist keine Frage, daß hier von Kunst kaum mehr gesprochen werden kann.

Beschämt, traurig sehen wir auf dieses geistlose Debüt, zu dessen Kreierung eine ganze Reihe geistvoller und kluger Leute beigetragen hat… Wir warten auf die nächste Premiere der Scala.

Das Kleine Haus des Theaters inderjosefstadt beginnt seine Herbstsaison mit einer „Musikalischen Revue“ von Felix Joachim son (Musik von Mischa Spoliansky): „Wie werde ich reich und glücklich?“ Die Geschichte von einem armen Jungen, der die Tochter des Kommerzialrates freit und dann reumütig zu seiner Jugendliebe zurückfindet, entstammt dem Kochbuchrezept der Operetten- und Literatencafes. Konfektion also der Unterhaltuingsindustrie. Die farblose Musik paßt sich an. Flotte Regie (Erik Frey), gutes Spiel der Schauspieler. — Die Dependance der Josefstadt war vor dem Sommer bereits bei Offenbach gelandet. Vielleicht wird, wenn sie sich ausschließlich auf leichten Schmarrn konzentriert, das Stammhaus sich, bei beginnender Arbeitsteilung, wieder ernsteren Dingen und Problemen zuwenden… . •

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