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Zum Heil berufen

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KREUZWEG MIT ISRAEL. Von Mirjam Präger OSB. Mit einem Vorwort von Friedrich Heer. Illustriert von Karl S e e 1 o s. Verlag Herold, Wien—München. 52 Seiten. Preis 32 S.

Die Stellung der Christen zu den Juden war und ist überaus fragwürdig. Das Schlimmste ist wohl der christlich-pharisäische Haß auf die Juden, der sein Hauptargument daraus nimmt, daß „die Juden“ den Heiland, also Gott, gemordet haben. Wir wehren uns selber gegen alle nationale Kollektivschuld, aber den Juden lasten wir sie gerne an. Wir trennen zwischen zu Christen gewordenen Juden und „echten“ Juden. Wir freuen uns über jeden getauften Juden, aber so ganz trauen wir ihm doch nicht; nach dem alten Sprichwort: soviel Taufwasser gibt es gar nicht, das einen Juden zu einem Christen machen könnte. Sind etwa die anderen Nationen durch die Taufe wahre Christen geworden? Man braucht ein Opfer, das schuld ist an allein, um sich selber reinzuwaschen.

Die Kirche hat schon immer iur die Juden gebetet. Wenn jetzt das etwas fragwürdige Wort perfidus in den Karfreitagfürbitten gefallen ist, so zeigt die Kirche damit, daß sie ein klares und christliches Verhältnis zu den Juden haben will. Es gibt eine christlithe Perfide, die schlimmer ist als jene der damals verblendeten Juden.

Die katholische Benediktinerin jüdischer Abstammung Mirjam Prager hat einen Kreuzweg mit Israel geschrieben, in dem sie in der herkömmlichen Form der vierzehn Stationen für die Heimkehr Israels betet. Sie verwendet dabei viele Schriftzitate und Worte der Liturgie, nur das Schlußgebet ist ihr eigenes Wort. Sie betet ebenso für die Umkehr der Juden als auch ihrer christlichen Feinde, sie sieht auf das Ganze, das Reich Gottes, so wie Jesus es gesehen hat. Sie verwendet nicht mehr die fragwürdigen Gemütsbewegungen und Erweckungen der gebräuchlichen, nicht immer gleich guten Kreuzwegandachten. Mirjam Pragers Kreuzweg hat hohes Niveau. Die Bilder der einzelnen Stationen zeichnete Karl Seelos. Sie sind eindrucksvoll und passend.

Friedrich Heer schrieb dem Büchlein ein ausgezeichnetes Vorwort. Schonungslos zeichnet er die Abwegigkeit des uralten christlichen Judenhasses. Er zeigt, wie weit wir noch zurück sind mit der christlichen Verwirklichung, wie eng, egoistisch und dumm christliche Massen und einzelne reagiert haben und noch reagieren, wenn nur das Wort Jude fällt.

Er spricht da einmal von der bezeichnenden Ichverliebtheit, Sentimentalität und Grausamkeit vieler Christen: „Haben wir schon bedacht, wie eng ein gewisser religiöser Kitsch ist, in Bildern und Traktaten, in Gebetchen (alles nur für das eigene Seelchen I), wie grausam und sentimental zugleich? Er s-st grausam und sentimental, weil er sich so ganz auf das eigene kleine, liebe, verhätschelte Ich konzentriert und die Leiden, die Kreuze und Kreuzwege der Kirche, der anderen Christen, der anderen Menschen überhaupt nicht sieht.“ Seine Warte sind scharf und tun weh, aber sie sind notwendig. Man kann nicht recht die Lieder vom Davidstern im Advent singen und unangenehm betroffen sein, einen Juden zu sehen, der den Davidstern als Schandmal tragen mußte.

Wie können wir die Bibel in die Hand nehmen und das Volk, das sie schuf, verachten?

Manche werden sagen, dieses harte Vorwort paßt nicht in ein Gebetbuch. Aber vielleicht hilft es mit, die Voraussetzung zu schaffen, daß dieser Kreuzweg mit Israel gebetet, echt gebetet und innerlich mitvollzogen wird.

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