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Zwei Edelsteine

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Ein Laufmeter Pressemeldungen stapelt sich bereits im Architekturbüro Ortner&Ortner, das in einem von Otto Wagner erbauten Haus angesiedelt ist. Das Wiener Museumsquartier, an dem hier seit fast zehn Jahren geplant wird, soll einmal genauso in die Architekturgeschichte eingehen wie die Bauten des großen Wiener Architekten. Die Aufregung um dieses Projekt war gewaltig: ein Volksbegehren und etliche Schlagzeilen in der Wiener Kronenzeitung haben dem Wiener Museumsquartier ein Medienecho beschert, wie es für Architekturprojekte selten ist. Der Leseturm, Stein des Anstoßes an dem Jahrzehnteprojekt, hat die zehnjährigen Debatten nicht überlebt. Unauffälliger, aber deswegen nicht unbedingt schlechter, geht der vorläufige Letztstand der Jahrzehnteplanung nun in die Einreichphase.

„Innerhalb des Gürtels, sogar mitten im Kaiserforum, etwas so Mutiges und Modernes realisieren zu können, wie es der erste Wettbewerbsentwurf mit seinem Leseturm war, ist in Wien nicht möglich”, bedauert Christian Lichtenwagner vom Büro Ortner&Ortner. Nach fast zehn Jahren hat er sich an die Wiener Umstände gewöhnt. „Wenn man sich die bauliche Leistung der zweiten Republik anschaut, dann ist sie so kümmerlich, daß unser Projekt in jedem Fall und in jeder Form einen Fortschritt darstellt.” Die Euphorie der Anfangsphase ist einer ziemlich illusionslosen Einschätzung der Realität gewichen: „Es war in der Ausgangssituation so ein mutiger Schritt, daß

dann die Angst vor der eigenen Courage einsetzen mußte.”

Heitere Ausgelassenheit hatte sich das Wettbewerbsteam von Ortner&Ortner im Kaiserforum als Ausdruck der Demokratie und der neuen Zeiten gewunschen. Ein heterogenes Zusammenspiel verschiedener

Baukörper, die sich selbstbewußt als einzelne in das alte Ensemble einordnen, durch Höhenspiel und Fernwirkung städtebauliche Signalwirkung erreichen und weit über den siebten Bezirk hinaus symbolisieren können, daß sich hier neue Kunst in einer neuzeitlichen Hülle präsentiert.

Mittlerweile haben sich die politischen Gewichtungen seit dem Planungsbeginn verschoben, und das Bundesdenkmalamt mit der gewichtigen Stimme von Bundesdenkmal-amtsdirektor Walter Sailer ein Machtwort gesprochen. Was noch viel maßgeblicher ist: Das Anforde-rungsprofil ist von urprünglich fast 100.000 Quadratmeter Nutzfläche auf die Hälfte geschrumpft. Außerdem muß jetzt mehr historische Bausubstanz erhalten bleiben als anfängllich vorgesehen.

Seit 1995 ist Manfred Wehdorn, seinerseits Chefrenovator der Hofreitschule, der Planung beigestellt. Damit ist eine neue Ära eingeläutet. Doch die „Zwangsehe”(Lichtenwag-ner) verläuft harmonischer, als sich das Außenstehende vorstellen könnten. „Ich bin da nicht blind hineingelaufen”, erklärt Wehdorn: „Wir haben bemerkt, daß unsere Anschauungen trotz den verschiedenen Ausgangspunkten sehr ähnlich sind.” Wehdorn empfindet den Status quo als „Mehr Örtner, als es jemals war. ”Auch er bedauert die emotional geführten Diskussionen, deren Opfer das Museumsquartier geworden ist.

Dem neuen Projekt aufgrund dieser partnerschaftlichen Arbeit und der veränderten Rahmenbedingungen gleich mindere Qualität vorzuwerfen, ist unfair. Was hier entsteht, ist eine adäquate, bescheidenere Lösung eines großzügigen ersten Wurfes, die mit dem usprünglichen Projekt aber wenig zu tun hat. Wie zwei Edelsteine in einer alten Fassung beherrschen zwei monolithisch anmutende Raublöcke, die einander von der Kubatur her relativ ähnlich sind, nun den Haupthof. Ein dritter Raukörper schält sich modern als Zu-bau aus dem alten Mitteltrakt.

„Warum nicht gleich?”, fragt Wehdorn, der mit dem derzeitigen Stand der Planung mehr als zufrieden ist. Außerdem habe sich der Rau um 800 Millionen Schilling verbilligt. Rechnet man die Angaben des Rüros Ortner&Ortner nach, kommt man allerdings auf eine Kostenreduktion von 500 Millionen Schilling.

Als Nutzung sind das Museum moderner Kunst (Sammlung Ludwig) mit großen, stützenfreien Räumen und wenig Tageslicht, ein klassischer Ausstellungsbau mit viel Tageslicht für die Sammlung Leopold, sowie eine Veranstaltungshalle geblieben. Der letzte zur Einreichung vorgelegte Entwurf ist bis auf kleinere Änderungsvorschläge vom Rundesdenkmalamt genehmigt worden und dürfte sich nicht mehr wesentlich verändern. Verläuft alles plangemäß, kann man also Mitte 1998 mit dem Raubeginn rechnen.

Inzwischen hat die Kunst- und

Kulturszene der baulichen Entwick lurig bereits vorgegriffen. Der Messepalast ist zu einem Fixplatz des Wiener Kulturlebens geworden. Die Wiener Festwochen, das Architekturzentrum Wien, die Lomographi-sche Gesellschaft, freie Theatergruppen und das Kindermuseum sind nur einige Reispiele, die die Vielzahl der hier gewachsenen Strukturen erahnen lassen.

Das soll auch während der Bauzeit berücksichtigt werden. Man wird bei den verschidenen Bauabschnitten darauf achten, daß die reiche Szene nicht umgebracht wird und das Areal zumindest teilweise weiter bespielt werden kann. Denn das kulturelle Leben, das sich hier bereits etabliert hat, soll ja nicht genau durch die Errichtung eines Baus für die Kunst erstickt werden.

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