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Zwei Pseudotheologen

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Manche geistlichen Herren jüngeren Alters — Kapläne und Pastoren — einer von ihnen sagte dem Verfasser: „Mit der geistlichen Würde ist es vorbei“ — sind bestrebt, das heilige Wort, die unveränderliche Schrift zu „entmythologisieren“, als ob die Offenbarungen vom Berge Sinai bis zu jenen des Sehers auf Patmos griechische Götter- legendien wären. Sie versuchen dann von der Glaubenslehre in einem Prozeß des „Entsakralisierens“ abzubauen, was immer ihnen in den Weg kommt.

Die anderen aber, die „kleine Herde“, der pusillus grex des Evangeliums, ob sie sich nun „Hochwürden“ nennen oder als Pastoren bona fide ihrer Berufung nachgehen, fühlen sich den Orthodoxen zugeordnet: ihrer Innerlichkeit, ihrem spirituellen Sich-von-der-Welt-Abstrahieren im Sinne der Bibel, ihrer Kontemplation, ihrer meditativen und mystischen Theologie: dem unwandelbaren Glanze eines ewigen Schatzes an Wahrheit, an dem die „Avantgardisten“, die Papst Johannes XXIII. Namen eitel nennen, längst vorbeigegangen sind. Dabei führen diese ständig das Wort von der Ökumene im Munde, unter der sie konfessionelle Promiskuität verstehen; sozusagen einen Kraftakt der Identifizierung von Trennendem. Durch ihre Pseudotheologie machen sie in Wirklichkeit jede echte Ökumene zunichte.

Wie Pater įves Congar OP. konstatiert, haben die Kirchen des Ostens und des Westens zueinander verwandtschaftliche Beziehungen, die tiefer gehen als ihre Entfremdung. Die Orientalen wissen das sehr gut, und es waren nicht die Geringsten unter ihnen, die bei ökumenischen Konferenzen gesagt haben, sie seien sich dessen bewußt, auch für die katholische Kirche zu sprechen. Die ernsten Gründe, die für eine günstige Auslegung und für ein neuerliches Durchdenken der Streitpunkte sprechen, wären von der Last des Mißtrauens befreit, die sie hindert, ihre Kraft voll zu entfalten. Papst Paul VI. und Patriarch Athenagoras haben dafür Sorge getragen. Zumindest der Geist des tragischen Schismas darf keinen Platz in unseren Herzen haben.

Westen und Osten haben Sorgen

Der Aktualitätsbezug der ökumenischen Annäherung ist vor allem durch den Kampf gegen gemeinsame innere und äußere Feinde, die Katholiken wie Orthodoxe bedrängen, gegeben: die „Westkirche“, der Verfasser würde gerne sagen „die Lateiner“, ringen mit den inner- kirchlichen Feinden des Modernismus, die der Verfasser in seiner Überlegung „Wächter, wie weit ist die Nacht?“ (Isaias 21, 11) — „Furche“, Juli 1968 — aufzuzeigen versuchte. Die „Ostkirche“ ringt in heldenhaftem Mut gegen äußere Feinde: in zahlreichen Teilkirchen gegen den militanten, gottfeindlichen (nicht nur „gottlosen“) Kommunismus, für den die Dialogversuche, die von Katholiken in bestem Glauben geführt werden, Sprossen auf der Leiter „nützlicher Idiotie“ (vergleiche W. I. Lenin) sind. Ein-

fach, weil der „religiöse Aberglaube“ weder in ihr Weltbild noch in ihre diktatorische Praxis einzufügen ist. Woran die Pilgerreisen Wiener linkskatholischer Berufspsychologen zwischen Moskau, Leningrad und Ost-Berlin auch nichts ändern können.

Wer an Gottes Assistenz im Raum der russischen Orthodoxie zweifelt, der möge einmal die Sowjetunion und das gnadenspendende Wirken kennenlemen, das sich von Zagorsk aus in alle Himmelsrichtungen verbreitet. Und dies, obwohl dieser ehrwürdigen Kirche jedwede Möglichkeit zur Verkündigung, zur Predigt wie zur Lehre, genommen ist. Was aber geblieben ist, das strahlt aus und befruchtet immer wieder das Herz auch gottlos erzogener Menschen: die heilige Liturgie, die Feier der eucharistischen Geheimnisse, die

Spendung der Sakramente. Diese verfolgte Kirche der kommunistischen Hemisphäre würde niemals um eines billigen Scheinapostolates und einer sinnlosen Akkommodation willen Abstriche vom Ganzen ihres Glaubensgutes vornehmen, wie es uns die bittere Erfahrung in der Westkirche so schmerzlich demonstriert. Wie sagte doch der orthodoxe Erzbischof von Brüssel, Wassili j Bloom, der der Jurisdiktion des Patriarchen von ganz Rußland untersteht: „Uns Orthodoxen scheint es, daß die Abendländer die theologischen Divergenzen zu leicht nehmen ..Treue zum Glauben ist das Fundament der Weltstunde der Rechtsgläubigkeit, in der Katholiken, Orthodoxie und auch glaubenstreue Protestanten aufgerufen sind, im Gebet und in der Liebe um die wahre Einheit, die Ökumene, zu ringen, gemäß dem Flehen des Herrn:

„Ut omnes unum sint, sicut tu Pater in me, et ego in te,'ut et ipsi in nobis unum sint: ut credat mundus, quia tu me misisti“ (Joh. 17, 21).

Damit alle eins seien. Wie der Vater im Söhne. Wie der Sohn im Vater. Damit alle eins seien im Vater, im Sohne und im Heiligen Geiste. Damit die Welt glaube, daß der Vater Seinen göttlichen Sohn, den Herrn Jesus von Nazareth gesandt hat. Damit alle heimfinden in den einen Schafstall durch den einen, den Guten Hirten: in die eine, heilige, katholische und apostolische Kirche, den geheimnisvollen Leib Christi, dessen Glieder die letzte Offenbarung, die Weltstunde der Wiederkunft erwarten, in der unser „orthodoxer“, unser rechter Glaube in die Herrlichkeit des Schauens übergeht.

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