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Zwischen den Schulen und Richtungen: Alfred Uhl

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In der österreichischen Musik der GegenwarZwischen den Schulen und Richtungen: Alfred Uhlt kann man die folgenden Richtungen unterscheiden: die das klassisdi-romantische Erbe weiterführende und entwickelnde Schule Franz Sdimidts; die von der Spätromantik und vom Impressionismus beeinflußte Marx-Richtung; den Schönberg-Kreis; die zum Teil von archaischen Tendenzen bestimmte Kirchenmusik etwa Lechthalers oder J. N. Davids; und schließlich die einen neuen linearen und kontrapunktischen Stil anstrebende Gruppe Schiske-Heiller-Angerer, welche wesentliche Impulse durch die Gregorianik empfing. Selbstverständlich sind zwischen diesen Gruppen und Schulen die Grenzen fließend, doch zeigen die einzelnen Komponisten und Werke ein deutliches Gravieren nach dieser oder jener Seite. Vertreter der älteren Generation und zum Teil nicht mehr lebende Komponisten halten die führenden Stellen in den ersten drei Gruppen. Unsere jungen und jüngsten Musiker finden wir fast ausschließlich bei den zwei letzten. Zwischen den Generationen, zwischen den Schulen und Richtungen steht Alfred Uhl.

Der 1909 in Wien Geborene zeigt die für den Musiker so überaus typische Frühbegabung: mit 13 Jahren beginnt er zu komponieren, von dem 17jährigen wird in der Augustinerkirche eine Messe aufgeführt. Nach Wanderjahren durch Europa-kehrt er 1938 nach Wien zurück, muß zwei Jahre später einrücken und wird schwer verwundet aus dem Kriegsdienst entlassen. Seit 1945 ist Uhl Professor für Komposition und Instrumentenkunde an der Staatsakademie für Musik.

Sein Werdegang, seine künstlerische und menschliche Entwicklung prädestinieren ihn dazu, eine glückliche, gültige Synthese von alt und neu, Eigenständigem und Euro, päischem zu leisten. Als Schüler von Franz Schmidt wurde er in der klassischen Form unterwiesen und zur Klarheit erzogen. Dem Klangzauber des Impressionismus neuromanischer Prägung verdankt er wertvolle Anregungen. Mit prinzipiellen Fragen der Tonalität und des linearen Kontrapunkts letzte er sich an Hand der Werke von Schönberg und Hindemith auseinander. Und er liebt Mozart und Schubert über alles, Mozarts Klarheit und Anmut und Schuberts Melodie. Das ist das spezifisch Österreichische, Wienerische an ihm. Hinzu kommt, als besondere persönliche Note, ein echt musikantischer Zug: Sinn für Humor und Ironie, ohne ätzende Schärfe und frei von intellektueller Spekulation.

Von „Richtungen“, „Schulen“ und Schlagworten, die heute mit allen Anzeichen einer Eintagssensation aufblitzen, um morgen schon als abschreckendes Beispiel an den Pranger gestellt zu werden, will Uhl nicht viel wissen. „Nur allzuleicht“, meint er, „neigt der Künstler dazu, sich bewußt irgendwelchen Dogmen, Richtungen oder Systemen zu verschreiben oder besser: auszuliefern. Ergebnis: er wird aus Protest, aus einer betonten Reaktion heraus komponieren und somit jenen Weg beschreiten, an dessen Anfang die mehr oder weniger harmlose Verzerrung, an dessen Ende jedoch der Erstickungstod in der Sackgasse irgendeines Extrems steht.“ Das Streben nach natürlichem Ausdruck mödite Uhl nicht mit „konservativer Einstellung“ gleichgesetzt wissen; denn vieles, was sich „neu“ und „modern“ gibt, ist in seinem Kern alt, verkrampft und unnatürlich. Als Ideal schwebt ihm vor: eine schlackenlose Schönheit, Grazie und eine gewichtlos scheinende Vollendung. Diesem Urbild, das Mozart und Schubert in so vollendeter Weise verwirklicht haben, gilt es — nach Uhls Meinung — auch heute nachzustreben. Wie geschieht dies? Was aus dem Bereich des Sinnlichen kommt, soll vergeistigt, veredelt werden; Geistig-Gedankliches aber empfange aus dem Sinnlichen Pulsschlag, Wärme und Farbe. Die Ökonomie der Mittel — kein Zuviel-des-Guten vor allem an Harmonischem und Klanglichem — gehört zu den Grundforderungen, die Uhl an jede, besonders aber an seine Kunst stellt. So hat vor seinem kritischen Auge nicht alles Bestand, was er bisher schrieb, und die Werke, die er heute noch gelten läßt und genannt wissen will, bilden eine knappe Reihe: Trio für Geige, Bratsche und Gitarre (1928), Kleines Konzert für Viola, Klarinette und Klavier (1937), Konzertante Symphonie für Klarinette und Orchester (1943), Bläser-oktett (1943), Vier Capricen für großes Orchester (1944), Vier Nocturnes für Orchester (1945), das Erste Streichquartett (1946) und — aus dem letzten Jahr — Vergnügliche Musik für acht Blasinstrumente und eine Klaviersonatine. Ein größeres Orchesterwerk und ein Tanzspiel für großes Orchester stehen knapp vor der Vollendung und werden im Laufe der nächsten Konzertsaison zu hören sein. Mögen diese und alle künftigen Werke eine Kunstauffassung bestätigen, die aus zwei Sätzen spricht, die Uhl einmal niederschrieb: „Es erscheint mir richtig, den Weg in aller Stille, Schritt für Schritt zu ertasten, um dann rücksekauend die .Richtung', die sich aus dem Weg ergeben hat, festzustellen.“ Und: „Wir können nur eines tun: in Demut die Gnade der Begabung empfangen und die Begabung mit allem Verantwortungsgefühl hegen und pflegen.“

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