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Zwischen den Zeilen

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ödön von Horvaths Werk entstand und steht zwischen den Zeiten — atmosphärisch mehr dem Krisenbewußtsein der dreißiger als der Selbstübersteigerung der zwanziger Jahre zugehörig. Seine Dramen stehen auch zwischen den Stilen, <fl ihrer Mischung von Kleinbürgerrealismus und symbolistischer Farbtupferei Wild-Peter Altenbergs. So oft man ihm begegnet, gerät man selbst in die „Zwischenstimmung“ halber Bejahung und halber Distanz. Beim Lesen seiner Stücke empfindet man dies Szene für Szene: Alles hängt hier von der theatralischen Verwirklichung, vom Gespür dessen ab, der es auf die Bühne bringt, der als Schauspieler diese zuweilen erschreckend banalen, zuweilen expressionistisch verdichteten Sätze zu sprechen hat.

Am Akademietheater inszenierte der vom Fernsehen im Stil geschulte Regisseur Erich Neuberg „Die Unbekannte aus der Seine“. (Vom gans' ebenso nahe wie der Kurzprosa Dichter kokett-melancholisch eine Komödie genannt.) Um das geheimnisvolle Lächeln der berühmten Totenmaske spinnt Horvath ein phantastisches, im logisch-dramaturgischen Gewebe nichtsdestoweniger recht haltbares Netz. Die Geschichte dieser unbekannten Selbstmörderin aus Paris wird für ihn, der sie, ohne den Namen der Stadt zu nennen, nach Wien verlegt, zur „grande passion“ eines unbedingten Gefühls, das in und an der Durchschnittswelt scheitert — nach Hor-vaths Meinung: scheitern muß. Für den legisseur bestand die Aufgabe darin, diesen Zwischen- und Schwebezustand des Geschehens, zu dessen künstlerischer Wiedergabe der Fernsehschirm vielleicht wirk-'ich geeigneter ist als eine so diesseitige Sühne wie die des Akademietheaters, nach Möglichkeit zum Grunderlebnis eines Publikums werden zu lassen, das vielleicht heute gerade in diesem Haus für Horvath nicht recht disponiert ist. So gut es ging, löste er sie, durch Gerhard Hrubys, dem Stil des Werkes ungemein angepaßtes Bühnenbild, wie auch durch,die Kostüme Edith A1 m o s 1 i n o s unterstützt. Die eigentliche Unterstützung aber kam von (fast) allen Schauspielern, besonders von Inge B r ü c k 1 m e i e r. Ja: sie hatte ihn, Jen Ton dieser Zeit, den großen Affekt vor dem drohenden Hintergrund, sie spielte die ganze Epoche gleichsam mit, so, wie einst die Junge Wessely in ihren Filmen. Auch Martha W a 11 n e r hatte das alles, die Fahrigkeit der Geschäftsfrau, die hastige Erotik. Hervorragend auch Helmut I a n a t s c h, trotz seiner sympathischen Ausstrahlung etwas zu diesseitig, zuwenig mehrbödig Wolfgang G a s s e r. Die beste Episode: das halb blasphemische, halb angstgepeinigte Totengebet der Auguste Pünkösdy.

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