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Zwischen den Zeiten

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An der Spitze der menschlichen Porträts, die in dem Bildersaal der Jahre stehen, müßte jenes von Rudolf H e n z genannt werden. In dem Band „Zwischen den Zeiten“ (Österreichischer Bundesverlag, Wien) sind Prosastücke und Gedichte vereinigt, gefolgt von einer schätzenswerten Bibliographie, die bis zum Jahre 1956 reicht. Das Buch ist geeignet, allen den Zugang zu einem dichterischen Schaffen zu eröffnen, das untrennbar mit der Geschichte unserer Zeit verbunden bleibt.

Uriel Birnbaum, 1894 in Wien geboren, ein lyrischer Könner von Format (deshalb ist von ihm vielleicht so lange nichts erschienen — seit fünfundzwanzig Jahren nämlich I), ein glühender Patriot des alten Österreich, für das er in den ersten Weltkrieg gezogen und als Schwerverletzter heimkehrte, diesen Mann wieder mit einer imposanten Auswahl der Vergessenheit zu entreißen, ist das Verdienst — eines ausländischen Verlags (Erasmus-Buchhandlung, Amsterdam).

„Fülle des Daseins“ heißt dies Auslese aus dem Werk von Rudolf Alexander Schröder (Suhr-kamp-Verlag, Frankfurt am Main). Da die gesammelten Werke des Dichters 5500 Seiten umfassen und dadurch der wünschenswerte Zugang erschwert ist, bedeutet die Auslese im Rahmen der „Bücher

BlaomiBdiiaH) jissuo* z t “NnsvorfJsaö iure der Neunzehn“ eine verdienstliche Tat. Wanders-mann durch die Zeiten und, wenn man will, über ihnen, das war der Christ, Humanist, Mittler zwischen der Poetik des alten Abendlandes und der Gegenwart, der Kirchenlieddichter, Prediger und Übersetzer Schröder

Fremde Welten und Zeiten hat uns Hugo Huppert, gleichfalls ein Übersetzer von Rang, mit dem altgeorgischen Epos „Der Recke im Tigerfell“ des Schota Rusthaweli geschenkt, das um die Wende des 12. Jahrhunderts entstanden ist. Eine gründliche Einleitung, umfangreiche Anmerkungen und eine Bibliographie erschließen dieses frühe Renaissancedenkmal. Mit dem „Georgischen Wanderstab“ hat sich Huppert als Dichter in des Dichters Lande begeben. (Das erstgenannte Werk erschien bei Rütten & Loening, das zweite im Verlag Volk und Welt, beide Berlin).

In vielen Gedichten des aus Wiener Neustadt stammenden Wilhelm W a 1 d s t e i n wirkt die Kraft eines über den Tag Weisenden; beträchtlich ist oft der epigrammatische Gehalt, der Sinn für die Form und, nicht zu vergessen, die Musikalität — diese freilich ist bei dem auch kompositorisch Tätigen nicht verwunderlich. („Waage des Lebens“, bei Leykam, Graz).

Gegenüber den frühen, dem Expressionismus nahestehenden lyrischen Dichtungen bedeutet der Band „Wir Kinder Gottes“ (Zsolnay-Verlag, Wien) eine Heimkehr in das stille Land, wo die Sternbilder in das Herz sinken — die bisher bedeutendste Lyrik Friedrich Schreyvogls. Wie hellsichtig ist dieser Mann!

Mit dem Bande „Stufen des Herzens“ (Gurlitt-Verlag, Wien) legitimiert sich Ernst Schönwiese als hingebungsvoller, auf den Übergängen zwischen dem Sein und dem Ewigen in oft mystischer Schau wirkender Dichter.

Erika Mitterers lyrische Sprache ist geschult an Rilke (Briefwechsel 1950 veröffentlicht) und überwindet in den besten Stücken des Gedichtbandes (bei Luckmann, Wien) die stark reflektorische Neigung. Ihr gegenüber wirkt Max S t e b i c h mit dem Band „O Herz in spätem Glück und Traum“ (Kremayr & Scheriau, Wien) recht gegenständlich. Hans Heidenbauer aus Langenwang („Werk und Welt“, Stiassny-Verlag, Graz), 1932 mit dem Julius-Reich-Preis ausgezeichnet, gehört in die vorderste Reihe einer realistischen Dichtung. Der Wiener Hans Bausenwein, Jahrgang 1924, seit 1951 Kaplan, weiß vor allem die Atmosphäre der Stadt und die sozialen Hinterhöfe zu schildern („Heute geschieht es“, Bergland-Verlag, Wien), aber besonders auch der religiösen Sphäre packende Aspekte zu eröffnen. Auch Wilhelm A d a m e t z ist Wiener, derzeit als Journalist tätig. Seine Lyrik („Die ewige Stafette“. Bergland-Verlag) zeichnet Farbigkeit und Sprachgewandtheit aus. Karl Gattermeyer, der bereits 1931 mit mundartlichen Dichtungen hervorgetreten ist, läßt mit dem Bande „Ernte“ (Ober-österreichischer Landesverlag, Linz) Landschaft und Menschen des Landes ob der Enns vorbeiziehen, begabt mit dem immer kostbaren Humor. Hans F r e n t z (eigentlich Frentz-Sudermann), aus Schwerin stammend, ist 1924 mit einem Roman hervorgetreten und widmete der Novellistik viel

Sorgfalt. Der schmale Gedichtband „Deutsch Legende“ (Limes-Verlag, Wiesbaden) zeugt von besonderem Sprachgefühl, von Gedanklichkeit, die immer anschaulich zu bleiben versteht. Gotthard de Beauclair, 1907 in Ascona, Schweiz, geboren, hat 1937 als Lyriker begonnen und in dem neuen Werk „Sinnend auf Stufen der Zeit“ (Lambert-Schneider-Verlag, Heidelberg) allem Zeitlichen, auch wenn er ihm von der Gegenwart aus nachspürt, eine gleichnishafte, zuweilen dunkle und orphische Deutung gegeben. Heinz Brenner aus Augsburg, Jahrgang 1900, übrigens ein gewiegter Theatermann und Kenner des Verlagswesens, lieferte mit dem Bande „Rondo“ (Verlag: Die Brigg, Augsburg) eine formal interessante Rhapsodie lyrischer Art, in der die Gedichte ohne Überschriften einander folgen und der Zusammenhang von der zuweilen überschwenglich deklamierten Idee her gewahrt bleibt.

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