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Zwischen Licht und Schatten
Das heurige Osterfestspiel Herbert von Karajans hat unter der Leitung des vieldiskutierten Maestro, nach der „Siegfried“-Premiere ein Orchesterkonzert des Berliner Philharmonischen Orchesters gebracht. Das Publikum, weithergereist aus nicht nur deutschen Landen und gar mancherlei Gesellschaftsschichten, begrüßte die Berliner Musiker bei ihrem Eintritt mit stürmischem Applaus — Herr, von Karajan hat es sehr wohl verstanden, sein Orchester an der Salzach heimisch zu machen, wozu ihm schon vor Jahren die sommerlichen Festspiele legitimen Anlaß geboten hatten. Daß die Maestri aus Berlin — und diesen Titel darf man jedem von ihnen zubilligen — den Vertrauensvorschuß, den solche Berufung sintemalen in dieser Stadt darstellt, rasch einlösen, rechtfertigen konnten,'hat auch dem Renommee Salzburgs Gewinn gebracht. Zudem mag sich unschwer einer finden, der da sagt, dem Österreicher mangle es an Weltoffenheit. In Dingen der Kunst sind wir ■— das Übel ist alt und eher unausrottbar — bescheidener als nötig.
Das heurige Osterfestspiel Herbert von Karajans hat unter der Leitung des vieldiskutierten Maestro, nach der „Siegfried“-Premiere ein Orchesterkonzert des Berliner Philharmonischen Orchesters gebracht. Das Publikum, weithergereist aus nicht nur deutschen Landen und gar mancherlei Gesellschaftsschichten, begrüßte die Berliner Musiker bei ihrem Eintritt mit stürmischem Applaus — Herr, von Karajan hat es sehr wohl verstanden, sein Orchester an der Salzach heimisch zu machen, wozu ihm schon vor Jahren die sommerlichen Festspiele legitimen Anlaß geboten hatten. Daß die Maestri aus Berlin — und diesen Titel darf man jedem von ihnen zubilligen — den Vertrauensvorschuß, den solche Berufung sintemalen in dieser Stadt darstellt, rasch einlösen, rechtfertigen konnten,'hat auch dem Renommee Salzburgs Gewinn gebracht. Zudem mag sich unschwer einer finden, der da sagt, dem Österreicher mangle es an Weltoffenheit. In Dingen der Kunst sind wir ■— das Übel ist alt und eher unausrottbar — bescheidener als nötig.
Bei aller Neidiosigkeit freilich, die sich ja auf den stolzen Besitz der Wiener Philharmoniker und der Wiener Symphoniker stützen kann, muß gesagt werden, daß das einbegleitende Mozart-Divertimento über die Maßen unmozartisch geriet, im Würgegriff allezu großer Eiligkeit schon im ersten Allegro, das wie mit keuchenden Instrumenten absolviert wurde, und recht geschmäcklerisch im weiteren Verlauf, den abwechselnd Ingredienzien wie Zucker und Eau de Cologne zu begleiten schienen. Es war hoch an der Zeit, in die Pause sich zurückziehen zu dürfen. Danach hatte man freilich die Genugtuung, einen auch für durch Erfahrung verwöhnte Ohren respektablen Bruckner zu erleben. Das Berliner Orchester suchte und fand jede Gelegenheit, seine Vorzüge gruppenweise, im Tutti und in Soli aufleuchten und in das faszinierende Spektrum eines gewaltigen und doch niemals gewalttätigen Forbissimo-Klan-ges einmünden zu lassen. Das selbst in Akkordtürmen klare, wie in Grundrißlinien verfolgbare Spiel dieses Orchesters ist von hohem ästhetischem Reiz und wie geschaffen für eine primär ästhetische Bruckner-Darstellung, wie sie der große Meister in aller Ehrlichkeit bevorzugt. Denn daß er an die Dinge, die hinter dieser Musik sind, glaubt, hat er wohlweislich niemandem einzureden versucht. Doch begreift und liebt Karajan Bruckner-Symphonien als große Musik und stellt sie als solche dar. Das genügt angesichts des Universums, das der spätbarocke Bruckner in jeder Symphonie neugeschaffen hat. Auch das Publikum spürte dies und war mit seiner Begeisterung (die es nicht immer so bedacht verschwendet) keinesfalls fehl am Ort.
Die „Rheingold“-Reprise am Dienstag vor Ostern, der am Abend davor das hier apostrophierte Orchesterkonzert und am Vormittag des Montag die „RheingoW-General-probe vorangegangen war, ließ die beträchtliche Belastung, die das Orchester der Berliner auf sich hatte nehmen müssen, nur im Vorspiel erkennen. Danach glätteten sich die Wogen der durch Übermüdung erzeugten Nervosität und auch die Akteure auf der Bühne hatten festen-Boden unter sich. In dieser Wiederaufnahme, die den Eindruck bestätigte, es hier mit der geglücktesten Arbeit des Teams Karajan Schneider-Siemssen bei den Salzburger Osterfestspielen zu tun zu haiben, gab es eine Umbesetzung durchaus zum Vorteil der Vorstellung: Wotan wurde vom Deklamator Fischer-Dieskau befreit und dem großen Gesangs- und Gestaltungskünstler Theo Adam anvertraut, der durch sein strömendes, dunkles Organ und seine persönliche Strahlung in den Mittelpunkt der Szene rückte, ganz wie es sich gehörte. Den Mimen gab für den verstorbenen Erwin Wohlfahrt der brave, stets verläßliche und etwas blasse Martin Vantin, als Loge war wieder Herr Stolze zu hören, und nicht eben erfreulich. Immerhin hat diese vielfach im deklamatorischen Stil gehaltene Partien ausgesprochen belkan-teske Passagen, denen die stimmlichen Mittel wie auch die Gesangskunst von Herrn Stolze durchaus nicht gewachsen sind. Zu meiner Jugendzeit ist der Loge zumeist Hel-dentenören anvertraut worden, üb entsinne mich des unvergleichlich intelligenten Herrn Pölzer, der an der Wiener Staatsoper viele Wagner-Helden gab, und auch Herr Windgassen zählte und zählt den Loge zu seinen Paraderollen im Wagner-Repertoire. Es bleibt unverständlich, warum sich Herr von Karajan nicht diesen oder den hervorragenden Herrn Melchert sicherte. Doch dies nur nebenbei.
Neben Theo Adam sind es noch andere dunkle Stimmen, die dieser „Rhedngold“-Reprise Farbe und satten Glanz .geben: die der hoheitsvol-len Josephtne Veosey als Fricka, die der orgelnden Erda (Oralia Domin-guez), jene der Herren Kelemen (Alberich), Rtdderbuscft (Fasolt) und Greindl (Fafner). Robert Kerns Donner rollt nicht ohne Tremolo ab, Donald Grobes Froh hat lyrisches Format. Unter den Rheintöchtern fällt das weiche, silbrige Organ von Edda Moser als Welgunde auf; sie ist, so hört man, die Gattin von Karajans Osterfestspdelpresseehef Peter Csobadi.
Den zweieinviertel Stunden „Rheingold“ schloß sich noch eine Viertelstunde Applaus an — wer viel bekommen hait, darf danken. Wie immer geriet Karajan in lässiger Bescheidenheit ins Zentrum der Ovationen.
Am Gründonnerstag, an dem Karajan um 12 Uhr mittags bei einem Presseempfang Phantasien zum ?hema Mensch, Musik und Vegetati-um (und anderes mehr über seine Stiftung) preisgegeben hatte, und lebenbei auch die Neuigkeit, daß lach der „Götterdämmerung“ 1970 m Jahr darauf der „Tristan“ folgt md der komplette Ring ins Wasser ällt — am Abend jenes Tages also lirigierte er im Großen Festspiel-laus Haydns „Schöpfung“: sehr deli-oat, sehr ausgeglichen, mit Nerv für lie Orchestermalerei bei der Schilde-■ung des Chaos, und mit wachem Verstand für die lyrischen Schönheien, zumal des Duettierens zwischen \dam und Eva.
Diese waren mit Hermann Prey und Gundula Janowitz ideal besetzt, was mch für den Raphael von Walter 3erry gilt. Als Uriel wies Werner ■Crenn mit mitunter allzuleiser Stimme Evangelistenqualitäten nach. Kraftvoll und differenziert der Chor, ier Wiener Singverein (Einsitudie-■ung Helmut Froschauer), in brillan-er Musizierlaune, die Haydns geniale Musik vital, gefühlsstark und transparent Klang werden ließ, das Ber-iner Philharmonische Orchester. Langanhaltender Beifall bestätigte lie Popularität des Meisterwerkes and den Rang der Wiedergabe.
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