1934, "von unten" gesehen

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Der historischen Wahrheit verpflichtet, nicht dem Nachkriegskonsens: Diesem aufklärerischen Grundsatz folgte letzten Freitag die ORF-Dokumentation Der blutige Februar über den österreichischen Bürgerkrieg im Februar 1934. Nach 1945 teilten ja das bürgerliche und das sozialdemokratische Lager nicht nur die Republik proporzmäßig auf, sondern auch die Schuld an den Ereignissen von 1934. Der blutige Februar räumte auf ORF 2 auf mit dieser - aus historischer Sicht verständlichen - Geschichtsverfälschung.

Die hervorragende Dokumentation erzählte von den Februarkämpfen aus der Sicht der kleinen Leute. Ehemalige Schutzbundangehörige kamen zu Wort, aber auch einfache Soldaten, die den Befehl erhielten, auf die Aufständischen zu schießen. Die große Politik kam nur am Rande vor, dennoch wurden die - für Bürgerliche unangenehmen - historischen Fakten klar und deutlich ausgesprochen: Österreich war eine Diktatur, seit das Kabinett Dollfuß im März 1933 das Parlament ausschaltete. Die Sozialdemokraten hielten lange still, um den Bürgerkrieg zu vermeiden. Der Ausbruch der Kämpfe in Linz wurde von der Heimwehr provoziert. Der Hietzinger Schutzbundkämpfer Karl Münichreiter wurde trotz schwerer Verletzungen standrechtlich zum Tode verurteilt und auf der Bahre zum Galgen getragen. Den Opfern auf seiten der Exekutive wurde in einem Staatsakt gedacht, die Opfer und Angehörigen der Aufständischen wurden ignoriert. Mit der Sozialdemokratie wurde der falsche Gegner ausgeschaltet und der Weg für den Nationalsozialismus geebnet.

Das ist keineswegs eine "linke Sicht". Im Abspann wurde unter "Redaktion" Werner Mück genannt. Der Chefredakteur der ORF-Fernsehinformation höchstpersönlich achtete also darauf, ob der Inhalt der Dokumentation politisch opportun ist. Und Mück ist sicher einer der letzten, dem man Linkslastigkeit vorwerfen könnte. Michael Kraßnitzer

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