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Michael Moores Anti-Bush-Doku "Fahrenheit 9/11" holte in Cannes die Goldene Palme.

Die Auseinandersetzung mit der Politik von US-Präsident Bush schlägt im Zuge der jüngsten Enthüllungen um Folterungen im Irak immer höhere Wellen. Vergangenen Samstag durfte US-Dokumentarfilmer Michael Moore über die Goldene Palme jubeln, die ihm bei den Filmfestspielen von Cannes von Jury-Präsident Quentin Tarantino überreicht wurde.

"Es ist nicht nur eine politische Entscheidung. Wir mochten deinen Film wirklich", soll Tarantino dem sprachlosen Schwergewicht bei der Preisverleihung ins Ohr geflüstert haben. "Was habt ihr da gemacht?", stammelte Moore. Zeitgleich fiel Bush in den USA (vor Schreck?) vom Mountainbike. Wahrscheinlich bloß ein Zufall.

i-Tüpfelchen zu Folterskandal

Die Filmfestspiele von Cannes gingen einmal mehr mit einem politischen Statement zu Ende. Im Vorjahr triumphierte Gus van Sants "Elephant", eine düstere Geschichte über das Columbine High School Massaker. Heuer standen wieder die Amerikaner im - wenig glamourösen - Scheinwerferlicht. Moore untersucht in "Fahrenheit 9/11" die Beziehungen der Bush-Familie zu reichen Saudis und zu der Familie Osama Bin Ladens. Tenor: Während die Welt unter Entsetzen die Terroranschläge vom 11. September miterlebte, sei Bush untätig gewesen, ließ sogar Mitglieder der Bin Laden-Familie aus den USA ausfliegen - obwohl der gesamte Luftraum gesperrt war. Der Krieg in Afghanistan sei eine reine Ölbeschaffungsaktion gewesen, der Kampf gegen den Terror wäre nur zum Anlass für den Irak-Krieg genommen worden. Moores Kameraleute reisten in den Irak und besuchten US-Truppen. Skandalös: Die jungen Krieger zeigen ohne Scheu, wie sie sich auf Kampfeinsätze "vorbereiten". Im Panzer lauscht man wilder Heavy-Metal-Musik, die Iraker werden zumeist wie Tiere behandelt. Die Art und Weise wie die USA Krieg führen - durch den Folterfoto-Skandal drang dies an die Öffentlichkeit. Michael Moore lieferte in bekannt bissiger und polemischer Weise da nur das i-Tüpfelchen dazu. Die Goldene Palme, sie wurde auch deshalb verliehen, weil hier ein Film zur richtigen Zeit am richtigen Ort gezeigt wurde. Ein Politikum eben.

Der Film, der vom Produzenten Disney vor den Festspielen kurzerhand aus dem Verleih genommen wurde, weil das Thema zu "heiß" erschien, muss sich um seine Verbreitung nun keine Sorgen machen. Der Medienrummel, den Michael Moore an der Croisette entfachte, sollte ausreichen, um einen Kinostart von "Fahrenheit 9/11" noch vor den US-Wahlen im Herbst zu ermöglichen.

Favoriten ausgebootet

Während Moore der strahlende (Überraschungs-)Sieger war, gingen andere Preisträger fast unter: Das asiatische Kino räumte mit dem Darstellerpreis für Maggie Cheung oder dem Großen Preis der Jury für das südkoreanische Drama "Old Boy" im großen Stil ab, auch der französische Film gewann mit der Regie-Palme für Tony Gatlif und dem Drehbuchpreis für Agnes Jaoui wichtige Preise.

Die Favoriten des Festivals gingen indes leer aus: Walter Salles' "The Motorcycle Diaries", ein Road-Trip durch Südamerika, der die frühen Tage Che Guevaras nachzeichnet, begeisterte nicht nur durch seine wunderbare Inszenierung, sondern auch durch seinen jungen Hauptdarsteller Gael Garica Bernal, ein neues Talent, von dem man noch viel hören wird.

Wong Kar-wais "2046", eine stilisierte, knallbunte Zukunftsfabel im Stile seines Meisterwerks "In the Mood for Love", verspielte seine Chancen durch einen Marketing-Gag des Regisseurs: Angeblich war der Film bis zum Tag der Vorführung nicht fertig gestellt, weshalb das Festival die beiden Premieren auf den (publikumswirksameren) Abend verschieben musste.

Preislose Spitzenfilme

Schließlich noch "Die fetten Jahre sind vorbei" des Vorarlbergers Hans Weingartner. Ein Film, der vom Frust der Jugend über das herrschende Establishment erzählt. Ein junger Mann (Daniel Brühl) lehnt sich gegen die Reichen auf, die 1968 dereinst selbst auf die Straße gingen. Ein gelungener Film, der den Regisseur zum regelmäßigen Cannes-Besucher machen wird. Leider blieb er preislos.

Doch die Launen einer Jury sind nicht vorhersehbar. Obwohl das Festival in Cannes eine Feier für die Filmkunst sein sollte, zeigte sich heuer, wie politisch es tatsächlich ist. Kunst darf, muss politisch sein, doch im Hinblick auf andere hochqualitative Werke, die an der Croisette gezeigt wurden, ist eine Prämierung von "Fahrenheit 9/11" nicht angebracht. Hier wurde eine Weltanschauung ausgezeichnet. Nämlich jene, die Bush selbst erfunden hat: "Entweder ihr seid für uns oder gegen uns". Man hat sich letztlich für "gegen uns" entschieden.

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