Aids in Entwicklungs-Ländern: Die Hilfe der Reichen versiegt

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Stark gekürzte Entwicklungshilfe-Budgets in den Industriestaaten markieren Wende zum Schlechteren im Kampf gegen HIV in der Dritten Welt. Österreich ist Negativ-Vorreiter.

Für hoch industrialisierte Staaten liegt Afrika weit weg - und diese Entfernung scheint exponentiell mit den Budgetdefiziten der reichen Region zu wachsen.Man nehme beispielsweise Österreich. Hierzulande ist es kaum noch eine Randnotiz wert, wenn die Regierung drastische Einsparungen im ohnehin mehr als blamablen Budget für Entwicklungszusammenarbeit plant. Derzeit tagt eine entsprechende Arbeitsgruppe im Außenministerium, bis spätestens Herbst werden die Ergebnisse und Opfer der Sparaktion feststehen.

Österreich wird dann noch weniger als 0,3 Prozent des BIP an Entwicklungshilfeprojekte vergeben, zu gesagt hatten diverse Bundesregierungen (Klima, Schüssel I, Schüssel II, Gusenbauer) 0,7 und rechnet man die gebrochenen Geldversprechen zusammen, dann kommt laut Franz Fischler, Ex-EU-Kommissar und Präsident des Ökosozialen Forums, die Summe von 30 Milliarden Euro heraus.

Diese Sparsamkeit am Menschen lässt sich eins zu eins auf das Thema Aids übertragen. Österreichs jüngste Initiative zu diesem Thema datiert aus dem Jahr 2001 und umfasste eine Million US-Dollar für den Internationalen Aids-Fund „Global Fund“. Ein Vergleich, angestellt von „Ärzte ohne Grenzen“, zeigt das Knausertum realistisch grell: Vergleichbar reiche Staaten, wie etwa die Niederlande zahlten bisher 519 Millionen, Nigeria neun Millionen. Der Präsident von Ärzte ohne Grenzen, Reinhard Dörflinger, fasst milde zusammen: „Der bisherige Beitrag ist eine Schande für Österreich.“

Aber ist Aids nicht längst unter Kontrolle, da sich die Spitzen der Republik sich jedes Jahr auf einem rauschenden Aids-Ball tummeln und der Gesundheitsminister sich pünktlich im Mai jährlich über sinkende Neuerkrankungszahlen freut?

Ernüchternde Zahlen

Dazu gibt der neueste UNO-Bericht zum Thema, vorgestellt im April dieses Jahreseine ernüchternde Auskunft. Denn dort, wo Aids zur Epidemie wurde, ist es weit davon entfernt, unter Kontrolle zu sein. Zwar stellen die Experten fest, dass Ende 2008 vier Millionen HIV-Infizierte Zugang zu der rettenden Behandlung mit Anti-Retroviren hatten, eine zehnfache Steigerung gegenüber 2003. Doch diese Freude über das erreichte relativiert sich sehr rasch.

„Das Wachstum der Epidemie überflügelt immer noch die Erfolge der HIV-Bekämpfung“, so der UN-Bericht, „Das bedeutet konkret, dass für zwei Personen, die Zugang zu einer Behandlung erhalten, fünf Neuinfizierte dazukommen. Konkret heißt das, dass es derzeit 22,4 Millionen HIV-Infizierte weltweit gibt, bei zwei Millionen Aidstoten und 2,7 Millionen Neuerkrankungen.Allein im Jahr 2008 wurden 430.000 Kinder mit der Krankheit geboren. Diesen negativen Zahlen entsprechen die mangelnden finanziellen Aufwendungen. Für 2010 hat die UNO-Agentur UNAIDS einen Bedarf von weltweit 25 Milliarden Dollar veranschlagt. Nur so könne das Millenniumsziel der UNO bis 2015 die Epidemie einzudämmen, erreicht werden, so UNAIDS. Doch in Realität enthält der „Global Fund“ gerade einmal zwölf Milliarden Dollar. Das ist noch weniger als 2008, als die Industriestaaten noch 15,6 Milliarden Dollar für die Behandlungsprogramme und Therapien ausgegeben hatten. Die Finanz- und Wirtschaftskrise lässt sich in Österreich wie in anderen Industriestaaten an der sinkenden Entwicklungshilfe ablesen, auch wenn Franz Fischler meint, dass „die Ausrede Krise nicht gilt“.

„Massiver Notfall“

„Ärzte ohne Grenzen“ hat die Situation in acht Ländern des südlichen Afrika genauer analysiert (Südafrika, Kenia, Zimbabwe, Uganda, Malawi, Mozambique, Lesotho, Demokratische Republik Kongo) – und kommt zu einer alarmierenden Schlussfolgerung: Zwei Millionen Menschen, zwei Drittel der HIV-Kranken, haben dort keinen Zugang zu der für sie notwendigen Therapie und diese Zahl wird steigen.

Beispiel Mozambique: Die Zuwendungen Europas werden dort von 110 Millionen 2010 auf etwas mehr als 80 Millionen Dollar fallen. die Europäische Kommission halbiert ihren Beitrag, Frankreich und Finnland steigen ganz aus, einzig Dänemark und die Niederlande erhöhen ihr Engagement. Diese Entwicklung ist auch deshalb so dramatisch, weil die untersuchten Länder bis zu 95 Prozent ihrer Aids-Mittel aus dem Ausland beziehen und die Länder des südlichen Afrika 67 Prozent aller Aids-Erkrankungen weltweit auf sich vereinen. Studienautorin Mit Philips: „Die HIV/Aids-Krise ist ein massiver Notfall. Wie können wir den Kampf auf halber Strecke aufgeben und glauben, alles sei überwunden?“

Das Feld wird so jedenfalls Scharlatanen überlassen. Gambias Präsident Yahya Jammeh etwa tourt seit Februar wieder durch die Dörfer seines Landes, um mit Kräutertrank aus der Plastikflasche und Koranzitaten HIV-Patienten zu heilen. Jammehs Therapie-Voraussetzung: Alle von der Schulmedizin verordneten antiviralen Medikamente müssen abgesetzt werden.

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