Alte Tante auf Magazinkurs

Ein langhaariger Tätowierter auf dem Cover - da hätte die ehrwürdige alte Dame Deutsches Allgemeines Sonntagsblatt wohl erstaunt die Augen aufgerissen. Denn was sich da so als ihre Nachfolgerin präsentiert, ist frech, jung und bunt.

Die Geschichte der wundersamen Verjüngung ist rasch erzählt: Die evangelische Wochenzeitung Deutsches Allgemeines Sonntagsblatt (DS) litt 52 Jahre nach ihrer Gründung unter akutem Leserschwund. Daraufhin einigten sich die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) und der Süddeutsche Verlag im vergangenen Jahr, das Traditionsblatt in ein Monatsmagazin umzuwandeln. Seit Oktober 2000 erscheint es nun mit einer Auflage von 1,5 Millionen als monatliche Beilage der Süddeutschen Zeitung, der Frankfurter Rundschau, der Sächsischen Zeitung und der Wochenzeitung Die Zeit.

Kaum ins Rampenlicht der Öffentlichkeit getreten, wechselte die Neuerscheinung Chrisma (Salböl) auch schon ihren Namen. In der Jännerausgabe 2001 informierte Chefredakteur Arnd Brummer seine Leser, dass Chrismon besser zum Geist eines christlichen Monatsmagazins passe: Chrismon bezeichnet das Christusmonogramm. Es steht am Anfang vieler mittelalterlicher Urkunden und ruft symbolisch Gottes Segen für einen Ehevertrag oder für ein Handelsabkommen an.

Der Mann hat Recht: "Segen" passt besser als "Salböl". Mit salbungsvollen Pastorenreden hat Chrismon nämlich rein gar nichts zu tun. Statt dessen findet der Leser unter anderem: eine gut recherchierte Reportage über das gespannte Verhältnis der Religionen im Kosovo; ein Porträt des Popstars "Blümchen" genauso wie ein Porträt der burgenländischen "Bischöfin" Gertraud Knoll; Lifestyle-Beiträge über die religiösen Hintergründe tätowierter Haut; politische Streitgespräche über Fragen, die Deutschland bewegen. Das Ganze garniert mit Lebenshilfe, Rätseln und biblisch inspirierten Kochrezepten.

"Wir möchten schon, dass harte Politik und Wirtschaft vorkommen", sagt Christian Sauer, stellvertretender Chefredakteur von Chrismon in Hamburg. "Wir sind keine Lifestyle-Postille! Aber die Vermittlungsformen sind in einem Magazin anders als früher beim Sonntagblatt. Wir Meinungsmacher in der Redaktion nehmen uns zurück und lassen Menschen sprechen." Daher: Kein distanzierter Leitartikel über die ethischen Probleme der Pränataldiagnostik, sondern Erfahrungen von Frauen angesichts der Diagnose: Behindertes Kind. "Natürlich sind wir ein Magazin und damit auch eher emotional als ideologisch durchgestylt - eben ein Teil der Unterhaltungsindustrie und Popkultur", sagt Sauer. "Aber wir sind der Meinung, dass man Magazinjournalismus machen und trotzdem Werte und Ethik seriös vermitteln kann. Ohne moralischen Zeigefinger!"

Ob dieses Experiment glückt, wird sich herausstellen. Denn Chrismon muss theoretisch alle ansprechen: Kirchenferne, Katholiken, kulturell Interessierte. Nicht zu vergessen die ehemaligen Leser des DS. Damit ihnen angesichts der vielen bunten Fotos und manch frechem Text über Gott und sein Bodenpersonal die Umstellung nicht allzu schwer fällt, können sie Chrismon plus abonnieren: Es enthält einen Extrateil mit "Nachrichten und Trends aus Kirche und Gesellschaft". Hier geht es auch ein bisschen frömmer zu, wenn prominente Theologen und Theologinnen die Bibeltexte des Sonntags auslegen. In Chrismon hat man sich dagegen auf eine theologische Light-Version beschränkt: Unter dem Titel "Religion für Einsteiger" werden Grundlagen des christlichen Glaubens erklärt.

Auch auf dieser Doppelseite folgen die Magazinmacher ihrem Grundprinzip: Seriöser Inhalt, journalistisch aufbereitet. Das mag manchmal auf Kosten der hohen Wissenschaftlichkeit gehen. Doch es ist wunderbar spritzig zu lesen - wie das ganze Chrismon.

Chrismon als Beilage zur Zeit, Süddeutschen et cetera gibt es aus postalischen Gründen leider nur innerhalb Deutschlands. Chrismon plus kann natürlich auch in Österreich bezogen werden.

Informationen: Chrismon, Postfach 20 32 30, D-20222 Hamburg; oder: www.chrismon.de