Ansturm der Privaten

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Bald gibt es österreichisches Privatfernsehen. 27 Bewerber rittern um die Frequenzen.

Die Berichterstattung im Vorfeld der Einreichfrist für privates Fernsehen in Österreich ging an der Realität vorbei. So hatte Fellners tv-media berichtet, das Interesse an Privatfernsehen sei "katastrophal gering", der Verlierer der Lizenzvergabe sei Kanzler Schüssel, dessen Rundfunkreform "wegen mangelnden Interesses am Privat-TV so gut wie gescheitert" sei.

Umso böser muss das redaktionelle Erwachen im Fellner-Haus gewesen sein, als vergangene Woche insgesamt 27 Bewerbungen für Privat-TV-Lizenzen bei der Medienbehörde KommAustria (www.tkc.at) eingingen. Mit einer so hohen Bewerberzahl hatten viele Medienprofis nicht gerechnet. Bei der KommAustria dürfte man den Ansturm erahnt haben. "Das ist ungefähr die Erwartung, die wir gehabt haben", sagt KommAustria-Chef Hans Peter Lehofer. Es seien durchaus ernst zu nehmende Bewerber dabei, so dass "ich jetzt wirklich davon ausgehe, dass es bundesweites Privat-TV geben kann".

Insgesamt sieben Anträge bewerben sich um die bundesweite Frequenz, 20 um regionale Frequenzen in Ballungsräumen. Einer der sieben bundesweiten Bewerber hat allerdings schon wieder das Feld geräumt. Die dem Vernehmen nach per E-Mail eingetroffene Bewerbung des italienischen Pay-TV-Unternehmens Stream (gehört der Telecom Italia und Medienmogul Rupert Murdoch) stellte sich als Irrtum heraus: Bei Stream wusste man auf Anfrage nämlich nichts von einer Bewerbung in Österreich.

Fix hingegen ist die Bewerbung von ATV und Ex-Kirch-Manager Gottfried Zmeck. Weiters bangen mit Kanal 1 die Brüder Erwin und Hanno Soravia (OneTwoSold) um die Frequenz mit, die schon mit dem Kauf des Dorotheums für Aufsehen sorgten. Deren enger Geschäftspartner ist Christoph Dichand, Sohn und designierter Nachfolger des Krone-Chefs Hans Dichand.

Ebenfalls bundesweit bewirbt sich Florian Novak, Gründungsgesellschafter des Radiosenders Energy 104,2 mit seiner Ganymedia Network GmbH. Novak gewann dazu die kanadische Chum-Gruppe, die in Toronto Stadtfernsehen betreibt.

Besonders interessant für die lokalen Frequenzen sind die Ballungsräume Wien, Linz, Graz und Salzburg. Während ATV auf eine Wiener Frequenz von vorne herein verzichtet, gibt es hier sieben Bewerber. Darunter etwa TIV-Chef Thomas Madersbacher, der in Wien gemeinsam mit ET Multimedia Smart.city.tv machen will, oder n-tv-Chef Helmut Brandstätter, dessen Nachrichtensender sich gleichzeitig auch für den Raum Linz beworben hat. Brandstätter will mit City TV ein "Stadtfernsehen mit hohem Informationsanteil und Unterhaltungselementen für eine junge Zielgruppe" starten. Im Hintergrund von n-tv stehen die Medienkonzerne Holtzbrinck und AOL Time Warner. Aus Saarbrücken bewirbt sich der dortige Sender Saar TV, und hinter Plus City TV steht die Wiener Gewista. Daneben bewerben sich noch einige Einzelpersonen und kleinere Unternehmen an Frequenzen in Steyr, Bad Ischl, Köflach, Bad Kleinkirchheim und im Mur- und Mürztal.

Die Bewerbungen des Styria-Konzerns (zu dem auch die furche gehört) erstrecken sich von Linz über Graz nach Klagenfurt. Styria-Chef Horst Pirker: "Es gibt für uns keine TV-Ambitionen in Wien." Auch bundesweit überlegte sich der Medienkonzern sein Engagement lieber zweimal: "Wir sind gemeinsam mit Raiffeisen und der Kirch Gruppe zu dem Schluss gekommen, dass bundesweites Privatfernsehen wirtschaftlich nicht zu betreiben ist, allein schon durch die Übermacht des ORF", meint Pirker.

Ganz anderer Meinung ist ATV-Chef Tillmann Fuchs: "Wir haben wahrscheinlich die kompletteste und detaillierteste Bewerbung von allen vorgelegt. Wir glauben fest daran, dass wir eine Chance auf diese bundesweite Frequenz haben und sind überzeugt, dass wir es mit ATV schaffen".

Die hohe Zahl der Mitbewerber sieht ATV-Chef Fuchs gelassen: "Es war zu erwarten, dass viele noch in letzter Minute ihre Bewerbungen abgeben. Wir nehmen viele Mitbewerber sehr ernst, einige weniger ernst". Styria-Chef Pirker: "Die hohe Zahl der Bewerbungen entmystifiziert sich bei genauerer Betrachtung: Es sind viele Einzelpersonen dabei, manche Bewerbungen haben ein bisschen kabarettistischen Charakter."

Die KommAustria will nun alle Bewerbungen zunächst auf ihre Vollständigkeit hin überprüfen, ehe die Bewerber in der Woche vor Weihnachten zu Einzel-Hearings in die KommAustria-Zentrale geladen werden. Wer schließlich bundesweit privates Fernsehen machen darf, will die KommAustria Anfang Februar 2002 entschieden haben. Erst danach soll über die lokalen und regionalen Frequenzen beraten werden.

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