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Wie das Pentagon irakische Journalisten ködert und Beiträge in deren Zeitungen "implantiert".

Das ist schon starker Tobak", kommentiert ein in Berlin akkreditierter amerikanischer Journalist und schüttelt dabei den Kopf: Er spielt auf die Tatsache an, dass irakische Journalisten seitens des Pentagons "Stipendien" erhielten, um proamerikanische Artikel zu schreiben. Die entsprechende Politik des US-Militärs war jedoch noch weitergehend: Angehörige von Propagandakompanien schrieben Artikel im Sinne der amerikanischen Irak-Politik und "implantierten" diese in irakische Zeitungen. Quelle und Ursprung wurden natürlich verheimlicht, so dass der Eindruck entstand, es handele sich um Beiträge irakischer Journalisten.

Gefakter Prophet

Es war die Los Angeles Times, die diese Machenschaften der Weltöffentlichkeit zur Kenntnis brachte. "The Sands Are Blowing Toward a Democratic Irak", war einer von Dutzenden derartiger Artikel betitelt, in dem es dann u.a. hieß: "Westliche Presseerzeugnisse und selbsternannte angeblich objektive Beobachter irakischer Nationalität äußern sich oft kritisch darüber, wie positiv und entschlossen wir - das irakische Volk - einen Weg beschreiten, der unserer Nation das Beste bringen wird." In diesem Werk wurde der Prophet Mohammed mit einem Ausspruch zitiert, der "Einigkeit und Friedfertigkeit" erbittet.

Sprache, Ausdruck und Formulierung dieses Artikels waren so geschickt gewählt, dass der Leser überzeugt sein musste, ein irakischer Journalist einer irakischen Tageszeitung - er war für die die unabhängige Azzaman vorgesehen - habe ihn verfasst.

Weit gefehlt! Dieser Artikel war einer von Dutzenden mit vergleichbarer Message, die in einem so genannten "storyboard" enthalten waren. "Storyboard" ist der Terminus technicus für eine Sammlung von Kommentaren und Reportagen, die zur Veröffentlichung in irakischen Publikationen vorgesehen sind. Sie wurden nicht etwa seitens ihrer Verfasser mit militärischen Rang direkt lanciert, sondern der in Washington ansässigen, speziell für diese Zwecke gegründeten PR-Firma Lincoln Group überlassen.

Journalismus als PR

Diese Lincoln Group hat die Aufgabe, die in Englisch geschriebenen Artikel ins Arabische zu übersetzen und dann für deren Veröffentlichung in irakischen Medien zu sorgen. Die Quelle - das Pentagon - wurde selbstredend verheimlicht. Ein Reporter der New York Times hatte Gelegenheit, etwa zwei Dutzend Artikel eines Storyboard zu lesen. Sie enthielten ausschließlich "good news", wie er es formulierte, zu Themen wie Iraks Wirtschaft, Iraks Sicherheit, Iraks politische Zukunft und die Aufstandsbewegungen.

Die Vorgehensweise ist nicht ohne Ironie und Pikanterie. Denn zur gleichen Zeit zahlen das US-Außenministerium und die U.S. Agency for International Development bestimmten Organisationen Millionen Dollar dafür, dass irakische Journalisten im Sinne eines westlichen Ethos ausgebildet und entsprechend unterrichtet werden - mit dem ausdrücklich erklärten Ziel, der Wahrheit und nur der Wahrheit verpflichtet zu sein.

Die Lincoln Group zahlte mehr als einem Dutzend irakischer Journalisten monatlich mehrere hundert Dollar für Artikel, die pro-amerikanisch zu sein hatten. Diese "Stipendiaten" waren deshalb erkoren worden, weil ihre frühere Berichterstattung nie antiamerikanische "Töne" erkennen ließ. Ein amerikanischer Militärsprecher in Bagdad verteidigte diese Methoden mit der Begründung, "es werde versucht, Artikel unterzubringen, die ihrer Tendenz wegen sonst kaum Chancen auf Veröffentlichung haben".

Die Preisgabe dieser Geheimpropaganda des Pentagons seitens großer US-Tageszeitungen hat Washington erschüttert. Das Weiße Haus zeigte sich konsterniert und forderte Erklärungen vom Pentagon. Der Vorsitzende des Militärausschusses im Senat begann mit Anhörungen, zu denen auch Amerikas höchste Generalität geladen wurde. Davor allerdings hatte General George W. Casey, ein Top-Militär im Irak, vergeblich gegen Veröffentlichungen in Washington Post und New York Times protestiert und von "Geheimnisverrat" gesprochen. Inzwischen gab das Pentagon alles zu und nannte sogar den "Chefredakteur", der für die proamerikanischen Berichte der Militärjournalisten zuständig ist: Generalleutnant John R. Vines.

Herumgedoktertes Image

Der republikanische Senator John W. Warner, der dem Senats-Militärausschuss vorsteht, äußerte sich "besorgt über jegliche Aktionen, durch die Amerikas Glaubwürdigkeit unterminiert wird, während wir versuchen, die irakische Bevölkerung für die Demokratie zu gewinnen." Und der demokratische Senator Edward Kennedy forderte das Pentagon zu einer Untersuchung des Vorgänge auf und meinte: "Wenn wir Amerikaner im Irak wirklich als Befreier willkommen gewesen wären, müssten wir jetzt nicht an unserem Image herumdoktern."

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