Aufdecker auf der Abschußliste

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Regimekritische und investigative Journalisten leben gefährlich auch in Europa, wie aktuelle Berichte belegen.

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Regimekritische und investigative Journalisten leben gefährlich auch in Europa, wie aktuelle Berichte belegen.

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Es geschah am 25. Jänner im argentinischen Badeort Pinamar. Eine Männerleiche wird in einem ausgebrannten PKW gefunden. Der Tote war durch einen Schuß in den Kopf hingerichtet, dann mit Benzin übergossen und angezündet worden. Erst dank Autoschlüssel, Uhr und Gebiß gelang seine Identifizierung: Jose Luis Cabezas, 35 Jahre, Fotograf des Magazins "Noticias".

Der dreifache Vater war in Recherchen über mafiose Verbindungen von Polizei und Wirtschaftsboß Alfredo Yabran involviert gewesen. Der untersuchende Richter nannte Gregorio Rios, Yabrans Sicherheitschef, den Anstifter. Dennoch laufen die Untersuchungen der Bluttat "schmerzhaft langsam", urteilt der "Weltbericht Pressefreiheit". Auf über 100 Seiten listet das in Wien ansässige "International Press Institute" (IPI) bekannt gewordene Verstöße gegen die Medienfreiheit auf; demnach wurde sie 1997 in 156 der 186 UN-Mitgliedsnationen verletzt.

Blutroter Faden Auch die "Reporter ohne Grenzen" in Paris veröffentlichten am von der UNESCO initiierten Welttag der Pressefreiheit (3. Mai) drastische Daten über 140 Länder. 26 Menschen, die Nachrichten in die Wohnzimmer verschiedener Staaten brachten, brachte ihr Job ins Grab, eine ungleich größere Zahl an Medienleuten blieb verschwunden, willkürlich inhaftiert, gekidnappt, an Leib und Leben bedroht. Die regimekritische oder investigative Haltung der Opfer zieht sich wie ein blutroter Faden durch die beiden Reports.

Drei Tendenzen bedrohen Medienmacher in vielen Ländern ganz besonders, schreiben die "Reporter": * Die meisten Täter bleiben straflos. So wurde in Rußland bei 20 Journalistenmorden von 1992 bis 1996 ein einziger Schuldiger verurteilt.

* Als zweite Tendenz wird "die privatisierte Repression" angeführt, eine Folge der geänderten Konflikte. Medienmacher geraten weniger in das Schußfeld zwischen Ländern im Krieg als ins Visier von Guerillas, Warlords, politischen Extremisten oder organisierten Verbrechern.

* Der dritte Trend: diktatorische Willkür hinter der Maske von Gesetzen. So zwang etwa in Jordanien ein neues Gesetz die - traditionell königskritischen - Wochenblätter, ihr Kapital binnen drei Monaten auf das Zwanzigfache zu erhöhen. Die ökonomische Daumenschraube verfehlte ihre Wirkung nicht: Mindestens 13 Zeitungen mußten schließen.

Wohl um den Überblick zu erleichtern, erstellten die "Reporter ohne Grenzen" eine Schwarzliste der zehn Staaten mit den schwersten Vergehen: Kamerun firmiert hier als "repressivstes Land im französischsprachigen Afrika". In der Türkei gingen im Vorjahr gleich 250 Kollegen hinter Gitter, 20 wurden gefoltert. Die regierenden Kommunisten in Vietnam setzten auf Arbeitslager für unliebsame Medienmacher und auf Freiheitsbeschränkung für Medienkonsumenten. So kann Surfen zu verbotenen Informationen im Internet Strafverfahren nach sich ziehen. Skurril auch die Kommunikations-Kontrolle durch die Genossen auf Kuba: Bei Fidel Castro & Co. waren Schreibmaschinen 1997 noch immer deklarationspflichtig, von potentiell subversiven Faxgeräten ganz zu schweigen.

Konfiszierte Kameras Auch Europa war abschnittweise ein heißes Pflaster für Medienleute: Im Kosovo konfiszierten die Behörden in mehreren Fällen Kameras und Filme. Im spanischen Baskenland wurde die "El Mundo"-Korrespondentin zur Zielscheibe. Die Tageszeitung, die sich durch Enthüllungen über den Staatsterrorismus gegen (vermeintliche) ETA-Angehörige in den achtziger Jahren verdient gemacht hat, berichtete - wie die meisten Konkurrenten - immer wieder kritisch über terroristische Separatisten. Dennoch rechnete die Redakteurin nicht mit den zwei Brandbomben gegen ihr Haus, in dem sie sich gerade mit ihren zwei Söhnen aufhielt. Sie kamen mit dem Schrecken davon ...

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