Aufruhr im Whirlpool

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Keine vorweihnachtliche Ruhe im ORF: Zuletzt warf die bürgerliche Stiftungsrätin Helga Rabl-Stadler den Vorsitz im Finanzausschuss hin.

Vergangene Woche gönnte sich die ORF-Führungsspitze ein wohlverdientes, entspannendes Thermalbad. Im oberösterreichischen Geinberg waren Monika Lindner und ihr gesamter Stab für zwei Tage lang nicht der ORF-Führungstross, sondern gewöhnliche Wassertreter und Whirlpool-Hocker, die dabei ganz leger über die Zukunft des Unternehmens im kommenden Jahr diskutiert haben wollen.

Derweil gingen in Wien die Wogen hoch: Nach dem überraschenden Rücktritt der bürgerlichen Stiftungsrätin Helga Rabl-Stadler als Vorsitzende des Finanzausschusses innerhalb des ORF-Stifungsrates übte sich der heimische Blätterwald in Spekulationen. Was ist los am Küniglberg, dass sogar eine VP-nahe Stiftungsrätin in dem VP-nah geführten Haus das Handtuch wirft?

"Mangelnde Information"

Der grüne Stiftungsrat Walter Zinggl hat darauf eine - wenig überraschende - Antwort: "Es herrscht immer große Aufregung, wenn es innerhalb der ÖVP Krach gibt. Wenn ich als grüner Stiftungsrat zurückgetreten wäre, hätte das niemanden interessiert". Für Zinggl ist die Situation innerhalb des ORF "eindeutig parteipolitisch determiniert. Wer innerhalb des ÖVP-Freundeskreises widerständisch ist, über den wird einfach drüber gefahren", meint Zinggl. Anders sieht die Sache Leopold März, VP-naher stellvertretender Vorsitzender des Stiftungsrates: "Von Parteipolitik ist im Stiftungsrat, seit ich ihm angehörte, überhaupt nichts zu spüren."

Ausschlaggebend für den Abgang Rabl-Stadlers war ihr Protest gegen die mangelnde Information aus der Geschäftsführung. Konkreter Fall: Als sich in der letzten Sitzung des Stiftungsrates eine Mehrheit abzeichnete, die das zur Diskussion gestellte "Radio Österreich International" (ROI) bereits im Jänner 2003 in die ewigen Jagdgründe geschickt hätte, anstatt im März über den Fortbestand zu debattieren (vgl. Furche 48), warf Rabl-Stadler das Handtuch. Dem Vernehmen nach hatten schon tags zuvor einige Stiftungsräte beschlossen, den ORF-Auslandssender abzudrehen. Rabl-Stadler will davon nichts gewusst haben. "Da stimmt etwas grundsätzlich nicht mit der Information. Und wir wissen alle: Nicht-Information schafft Aggression", sagte Rabl-Stadler in einem Interview mit dem Kurier: "Ein Unternehmen, bei dem ein Lebenszweck die Information ist, muss eine bessere Informationsstruktur entwickeln". Stiftungsrats-Kollege Leopold März sieht die Dinge ähnlich, wiewohl für ihn "der Informationsfluss nicht so ausschlaggebend" sei, da er in keinem Ausschuss sitze. März: "Aber ich kann die Aufregung von Frau Rabl-Stadler nachempfinden, die entstanden ist, weil eine Empfehlung des Finanzausschusses schließlich vom Plenum unterlaufen wurde."

Der ORF sieht die hausinterne Krisenspannung freilich anders und gibt sich betont beruhigend. Abgesehen davon, dass aufgrund des Thermenurlaubs Ende letzter Woche kaum jemand für eine Stellungnahme erreichbar war, verlautete die ORF-Pressestelle auf Anfrage der Furche "in Auftrag von Pressechef Günther Kallinger": "Frau Doktor Lindner bedauert das Ausscheiden von Frau Rabl-Stadler, weist aber zugleich die Vorwürfe, zuwenig Information weiter zu geben, scharf zurück". Immerhin: Die Entscheidungen rund um ROI und das ebenfalls vom Rotstift bedrohte Radio Symphonie Orchester (RSO) sind nun tatsächlich bis Ende März 2003 vertagt worden. "Das ist definitiv", heißt es aus der ORF-Pressestelle, wo man dann doch ein wenig selbstkritisch wird: "Natürlich ist jeder Informationsfluss zu verbessern, das ist klar. Aber den ORF trifft keine Schuld, denn der hausinterne Informationsaustausch funktioniert reibungslos", meinte Rainer Scheuer, Kallingers Stellvertreter.

Krise des Stiftungsrates?

Was den Stiftungsrat betrifft, so befindet sich diese Einrichtung nach der Meinung von Walter Zinggl in einer Krise: "Bei mir kommt immer mehr der Eindruck auf, dass der Stiftungsrat von der ORF-Führung nicht so ernst genommen wird, wie er sollte." Innerhalb des Rates würden die Spannungen mehr und mehr steigen, und Rabl-Stadlers Rücktritt sei "sicher nicht der letzte gewesen", prophezeit Zinggl, für den die Debatte rund um ROI und RSO "zu einem Machtkampf im Stiftungsrat" geworden ist. Leopold März dagegen: "Für mich ist der Stiftungsrat nicht abgewertet. Er wird von der ORF-Führung sehr wohl ernst genommen. Von Machtkampf kann keine Rede sein!"

Für Zinggl sind ROI und RSO aber nicht die einzigen Probleme. Ihn echauffiert etwa, dass der freiheitliche Ex-Politiker Norbert Gugerbauer Mitglied des Stiftungsrates ist: Dieser hätte, so Zinggl, als Leiter eines Medienunternehmens (Jusline) "nichts im Stiftungsrat verloren". Auch die Entscheidung für eine Erhöhung der Rundfunkgebühren, die 2003 anstehen könnte, will Zinggl "nicht mittragen".

Neue Schelte Gerd Bachers

Unterdessen machte ein ehemaliger ORF-General Stimmung gegen den Lindner-ORF: Gerd Bacher rechnete in einer Rede mit der ORF-Spitze ab. Er forderte aber gleichzeitig von der Republik, dem ORF Gelder aus den Gebührenbefreiungen und jenes Drittel der ORF-Gebühren auszuzahlen, die Bund und Länder für sich selbst kassieren: "Der ORF wäre dann ausreichend finanziert, ohne von Werbung total abhängig zu sein". Die Gebühren würden nicht angehoben, das Publikum von der übermäßigen Werbung befreit. Bacher warf dem ORF "Quotenwahn" vor, der Sender sei "nach wie vor auf jenem selbstmörderischen Programmkurs, der sein Gebührenprivileg in Frage stellt".

Die Reaktion des ORF zu Bachers Kritik war zu erwarten: "Das kommentieren wir nicht", sagt Rainer Scheuer aus dem Pressebüro.

Bleibt zu hoffen, dass wenigstens zu Weihnachten Frieden am Küniglberg einkehrt.

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