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Von einem behindertengerechten Zugang zum Internet ist man noch weit entfernt.

Wenn Wolfgang Wimmer vom Netzwerk Barrierefreies Netz über die USA spricht, gerät er leicht ins Schwärmen: "Dort haben behinderte Personen ein gesetzlich garantiertes Klagerecht auf ein barrierefreies Netz. Es gilt dort das Prinzip: Wo öffentliches Geld im Spiel ist, muss auf Barrierefreiheit geachtet werden." Davon ist man in Österreich noch recht weit entfernt. Aber nicht nur dort. Obwohl die EU im Rahmen von eEurope eine entsprechende Leitlinie für seine Mitglieder erlassen hat, hat sich das Wissen um eine barrierefreie Netz-Gestaltung bisher nur kaum herumgesprochen. Auch in Deutschland, wo zumindest für die Bundesbehörden eine entsprechende NetzGestaltung per "Barrierefreie Informationstechnik-Verordnung" (BITV) seit 1. Mai 2002 vorgeschrieben ist, gibt es noch immer große Unsicherheit.

Sozialministerium & Wien

Bei einem Symposium in Trier im heurigen Mai zum Thema Barrierefreies Internet (www.mehr-wert-fuer-alle.de) wurden erstmals Werbefirmen und Web-Designer über die neue Situation informiert. "Das Unwissen über die Möglichkeiten des barrierefreien Internet war frappierend", schildert Wimmer, der für Österreich in Trier war. Ähnliches kennt er auch aus der heimischen Praxis. "Bis heute ist das Thema barrierefreies Web ein Nischenprodukt", erzählt er. Das gilt auch für den öffentlichen Bereich. Immerhin: Auf Bundesebene kommt bis dato das Sozialministerium laut Wimmer gut weg. Auf Länder-Ebene nennt er vor allem die Stadt Wien, die mit www. wien.at versucht, dass Internet-Angebot der Bundeshauptstadt möglichst barrierefrei zu gestalten.

Monika Sperber, Chefredakteurin von wien.at und auch im Beirat des Netzwerks Barrierefreies Web vertreten, vergisst dennoch nicht, auf die Schwierigkeiten hinzuweisen: "Das betrifft vor allem die alten Internet-Seiten, die prinzipiell händisch auf diese Kriterien hin angeschaut werden müssen." Bei 18.000 Seiten eine Sisyphus-Arbeit. Dazu kommen noch an die 30 Datenbanken und knapp 100 dezentrale Content-Anbieter. "Wir sind auf dem Weg. Dabei ist aber auch magistratsintern noch viel Aufklärungsarbeit zu leisten," erzählt Sperber.

Benutzerfreundliches Web

Stichwort: WAI. Dahinter, wie auch hinter der ebenso oft im Internet-Kauderwelsch benutzen Abkürzung W3C, versteckt sich kurz gesagt seit Ende der neunziger Jahre das Engagement mehrerer Leute, das Internet benutzerfreundlicher zu gestalten. Das "World Wide Web Consortium" (W3C) ist eine internationale Organisation, die es sich zur Aufgabe gemacht hat, das Internet zu standardisieren, indem es allgemeingültige und anerkannte Spezifikationen erarbeitet und die Weiterentwicklung von Technologien und Strukturen fördert. Derzeit hat W3C (www.w3c.org) rund 420 Mitglieder. Innerhalb des W3C existiert eine Teilorganisation namens "Web Accessibility Initiative" (WAI), die es sich zur Aufgabe gemacht hat, internationale Kriterien zur barrierefreien Gestaltung von Web-Inhalten zu entwickeln. Aktuell wird zwischen drei Prioritäten unterschieden, wobei grundsätzlich den Richtlinien der WAI unterschiedliche Checkpunkte zugeordnet sind. Jeder Checkpunkt wiederum gehört einer Prioritätsstufe an, welche den Einfluss auf die Zugänglichkeit festlegt.

Auch wenn das virtuelle Rom nicht an einem Tag errichtet wird, dass die Zeit drängt, macht eine aktuelle, in Deutschland erhobene und in Trier vorgestellte Umfrage deutlich: Während vergangenes Jahr "nur" 46 Prozent aller Deutschen das Internet für ihren beruflichen und privaten Alltag nutzten, schnellt der Gebrauch des Mediums bei Menschen mit Behinderungen auf 80 Prozent hinauf. Häufigste Gründe der Nutzung: Information, Kommunikation und Einkäufe. Dennoch: Sonderlich leicht und entgegenkommend fällt deswegen das Internet für behinderte Menschen noch lange nicht aus. Überflüssige Farbspielereien, langsamer Seitenaufbau aufgrund technischem Firlefanz, lange und dazu noch schwer verständliche Texte, Bilder ohne sprachliche Texterklärung, ans Pedantische reichende pixelgenaue Definitionen, Seiten mit über 150 Links und unflexible Schriftgrößen, die bei Vergrößerungen das Lay-Out zusammen brechen lassen, gehören leider nur allzu oft noch zum Alltag des Internet-Gebrauchs.

Absichtserklärungen

Für den Wiener Martin Ladstätter von BIZEPS - Zentrum für Selbstbestimmtes Leben (www.bizeps. or. at) liegt die Hoffnung auf einer neuen gesetzlichen Regelung für Österreich. Derzeit arbeitet er in einer Gruppe von Fachleuten, die das Behindertengleichstellungsgesetz mitvorbereiten. Seine Hoffnung: "Damit soll behinderten Menschen die Möglichkeit gegeben werden, Diskriminierungen auch rechtlich zu bekämpfen. Einen wichtigen Punkt spielt dabei natürlich auch die Barrierefreiheit im Internet." Inwieweit die politischen Parteien dafür Rückhalt bieten werden? Ladstätter dazu nüchtern: "Bislang gibt es viele Absichtserklärungen. Spätestens wenn der konkrete und umfassende Gesetzesvorschlag für Behindertengleichstellung im Parlament zur Abstimmung vorliegt, werden wir sehen, welche Parteien dafür und welche dagegen stimmen werden." Ob das noch heuer sein wird, ist offen.

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