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Österreichs freie Radios protestieren gegen die Medienpolitik rund ums digitale Handy-TV - in Sorge, in der schnellen Entwicklung unterzugehen.

Der dritte Rundfunksektor bangt um seine Existenz innerhalb der digitalen Medienlandschaft. Denn dort, wo die großen Mobilfunkbetreiber und Medienkonzerne die Goldgrube der Zukunft wittern, ist für freie Radios und Fernsehkanäle scheinbar kein Platz: Anlass der Debatte ist das Handyfernsehen nach dem DVB-H-Standard (digitales Fernsehen auf mobilen Endgeräten). Die Mobilfunkbetreiber, die DVB-H derzeit schon im Testbetrieb erproben, versprechen sich von ihren hohen Investitionen in den Ausbau satte Profite. Am besten schon ab nächstem Jahr, wenn die Fußball-Europameisterschaft in Österreich stattfindet. Und die Bundesregierung liefert dazu die gesetzlichen Voraussetzungen (vgl. Furche 19/2007), in denen die freien Medien des Landes allerdings nicht vorkommen dürften.

Vielfalt statt Fortschritt

Der Verband der Freien Radios Österreichs (VFRÖ) spricht von "Anlassgesetzgebung" und fordert eine "sachliche und offene medienpolitische Debatte über die Rundfunkdigitalisierung". Denn für VFRÖ-Obmann Helmut Peissl ist die DVB-H-Debatte nur ein Aspekt seines Unmuts. Dahinter stecken größere Bedenken: "Es muss um die Sicherung und Vergrößerung der heimischen Medienlandschaft gehen. Derzeit erscheint uns die Vorgangsweise bei der Rundfunkdigitalisierung planlos, und niemand formuliert, wohin es medienpolitisch gehen soll." Für Peissl lässt sich die Politik "viel zu sehr vom technischen Fortschritt blenden, anstatt für die Sicherung der Vielfalt einzutreten". Sein Credo: "Eine digitalisierte Rundfunklandschaft muss auch für nichtkommerzielle Medien offen und vor allem leistbar sein." Die freien Medien wollen Teil dieser digitalen Medienlandschaft werden - immerhin gibt es in den Städten Wien (Okto-Community TV), Linz und Graz bereits nicht kommerzielle freie TV-Sender.

Doris Bures, die zuständige Medienministerin, verteidigt die geplante Einführung von (kommerziell betriebenem) DVB-H zur Fußball-EM: "Große Sportveranstaltungen sind oft Auslöser von technischen Innovationen. Die Politik hat mit dem mobilen TV etwas umgesetzt, was Wirtschaft und Konsumentinnen und Konsumenten fordern."

Bures behauptet zudem, bei der kommerziellen Nutzung der DVB-H-Inhalte nicht mitreden zu können: "Die Programmbelegung bei DVB-H erfolgt ausschließlich durch die Mobilfunkbetreiber. Das liegt also nicht in meinem Einflussbereich. Man muss allerdings sehen, dass DVB-H ein kommerzielles Medium ist, das mit sehr hohen Investitionen verbunden ist. Daher wird es auch ein wirtschaftlich vernünftiges Geschäftsmodell geben müssen", so Bures.

"Ganz so ist es nicht", kontert Helmut Peissl. "Denn die Politik gibt ja die Rahmenbedingungen vor und bestimmt, welche Programme ins Angebot aufgenommen werden sollen." Auch für freie Medien solle es eine "Must Carry"-Regelung geben. Diese Regelung gibt eine Rangfolge der ausgestrahlten Programme vor und bringt dem ORF - als Staatssender mit Bildungs- und Informationsauftrag - eine Besserstellung bei der Verbreitung seiner Sendungen gegenüber etwa privaten Rundfunkveranstaltern. "Must Carry" bedeutet die Sicherung des verfassungsrechtlichen Anspruchs der Rezipienten auf Versorgung mit Hörfunk und Fernsehen. Private wie Pro Sieben protestieren und halten die Regelung für wettbewerbsverzerrend, die freien Radios hingegen möchten durch diese Regelung ihren Verbreitungsgrad erhöhen, weil sie sich selbst als ebenso identitätsstiftend wie den ORF sehen. Peissl: "Vor allem im ländlichen Raum stärken die freien Radios die lokale Kommunikationsstruktur enorm."

Teil der Gebühren für Freie?

Weil die Situation der insgesamt 15 freien Radios in Österreich (darunter Radio Orange, Radio Agora oder Radio Helsinki) "vor allem seit der schwarz-blauen Koalition denkbar schlecht" (Peissl) sei, wäre es an der Zeit, "den dritten Rundfunksektor als eigenen Bereich anzuerkennen und innerhalb der Medienbehörde KommAustria einen entsprechenden strukturellen Niederschlag dafür zu finden". Nach einer finanziellen Akutförderung von 300.000 Euro durch die Regierung "haben jetzt zumindest einige Sender eine minimale Basis", so Peissl. Jetzt fordert der VFRÖ ein Splitting der Rundfunkgebühren, bei dem auch die freien Radios berücksichtig werden. Vor allem, weil ein großer Teil des mit den ORF-Gebühren eingehobenen Geldes ohnehin im Bundesbudget lande. Als Beispiel nennt Peissl die Niederlande: "Dort gibt es über 300 Community-Radios und TV-Stationen, die einen Anteil der Rundfunkgebühr bekommen."

Von Seiten der Ministerin wird dem freien Radiosektor jedenfalls Positives signalisiert. Doris Bures: "Ich halte die Förderung dieses Sektors im Sinne der Meinungsvielfalt für sehr wichtig. Ich setze mich auch dafür ein, dass es in Zukunft mehr Geld für den 3. Rundfunksektor gibt." Helmut Peissl vom VFRÖ insistiert: "Es muss einen eigenen, anerkannten Bereich für freie Medien geben, und zwar eingebettet in einer neu strukturierten Medienlandschaft."

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