Bekleidet mit Leben

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Das ImPuls Tanz-Festival in Wien hebt das Gewicht des Seins auf.

von mae ost

Ein - fiktives - Stück ist zu Ende. Giselle, der berühmte Ballettklassiker. Tosender Applaus. In einer Geste pathetischer Sinnlosigkeit buckelt ein Tänzer im Kostüm des unedlen Albert vor einem unsichtbaren Publikum.

So begann Mark Tompkins Stück "Song And Dance" im Volkstheater im Rahmen von ImPulsTanz, einem der größten Festivals seiner Art in Europa. Und Tompkins, seit 1973 ein Amerikaner in Paris, wirft den Angelhaken der Verführung aus; tut es mit seiner extravaganten, erotischen, herausfordernden Stimme; führt uns vom ersten treulosen Liebhaber der Ballettgeschichte in die Gegenwart. Mit seinen Leopardenfell-Pumps an den hageren Füßen stolziert er in maskuliner Grazie und unheimlicher Doppeldeutigkeit. Denn er ist der Schöne und das Biest: "une bete sur la scene".

Am Schluss, wenn die Wimpern schon feucht geworden sind vor Hingabe, kehrt Tompkins ein letztes Mal im schlichten Alltagslook auf die Bühne zurück und singt "My Way": drängende Lust, unterschwelliges Jauchzen - letzte Gesten, letzte Worte, bis das Herz der Nacht sie verschlingt.

Abends darauf: Machismo exzessivo im Haupthof des Museumsquartiers. Der Salzburger Hubert Lepka und sein "Multisparten-Netzwerk" Lawine Torren spielen ein Anarchokonzert der Höllentöne; sind eine Horde unverschämter Denkmalbeschmutzer eines internationalen Genies: Anlass dieses auf schwerem Gerät vollführten Horrorballetts war der 15. Todestag Herbert von Karajans.

Die Kategorien von Sinnlichkeit und Ästhetik kompromisslos neu zu definieren, wird auch die "Tochter der Wälder", die weise und wilde Kanadierin Marie Chouinard, in "Chorale" versuchen. Da betreiben zehn Tänzerinnen und Tänzer heidnische Gymnastik, heulen kollektiv den Mond an, alles mit einer Spur metaphysischer Unruhe durchtränkt - archaisch und urban, lüstern und präzise zugleich. Marie Chouinard wird auch ihre explosive Version des Strawinsky-Klassikers "Le Sacre du Printemps" zeigen.

Auch die heimische Tanzszene legt mehr als eine Talentprobe ab. Etwa einer der originellsten österreichischen Performer, der Cyborg-Fan Chris Haring, der die Verschränkung von konkreter und virtueller Realität zu meistern sucht. In seiner neuesten Arbeit sieht er sich und seine Partnerin Stephanie Cumming als absturzgefährdete "Erroristen", die versuchen, ihre Bewegungssprache einem Körper anzupassen, der sich selbst reparieren und mit anderen in flüchtige Symbiose treten kann.

Oder Willi Dorner mit dem Installationsprojekt "Hängende Gärten", einer visuellen und bewegten Forschungsreise über unseren alltäglichen Umgang mit Räumen, ausgeführt im geschichtslosen Raum einer leer stehenden Wohnanlage im 10. Bezirk (5.-7.8.). Christine Gaigg und 2nd Nature mit der Uraufführung "TRIKE summer" (5.8., Schauspielhaus).

Was macht diese Tanzkünstler so sehenswert, was haben sie uns voraus: Sie sind bekleidet mit Leben. Sie versuchen, das Gewicht des Seins aufzuheben.

ImPulsTanz

noch bis 8. August 2004.

Informationen, Kartenbestellung:

(01-)523-55-58

Im Web: www.impulstanz.com

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