Dante à la Sarajewo

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"Notre Musique": Nouvelle Vague-Altmeister Jean-Luc Godard komponiert ein surreales Panoptikum zum Thema Terror und Gewalt.

Ein Altmeister darf es allen zeigen. Wenn er Jean-Luc Godard heißt, allemal: In "Notre Musique" ist Godard nach Sarajewo und ein wenig nach Mostar gereist, um ein surreales Panoptikum über Gewalt und Terror zu komponieren - da, wo sich zuletzt in Europa Krieg ereignet hat, wo die Wunden nicht geheilt sind, auch wenn sich die Weltmedien längst in Bagdad oder Gaza herumtreiben. In diese Nachkriegsleben dringt Godard ein und erzählt - angelehnt an Dante - in drei Kapiteln (Hölle, Fegefeuer, Paradies) vom Wahnsinn des Lebens. Aber auch der Wahnsinn ist nicht ohne Witz: "Der Kommunismus hat einmal existiert. 1962, genau zweimal 45 Minuten, als die ungarische Nationalmannschaft die Engländer mit ihrer kollektiven Spielweise geschlagen hat."

Die Godard'sche Hölle ist ganz kurz (überblendete Bilder der jugoslawischen Kriege verquickt mit Blitzlichtern anderer europäischer Gewaltexzesse), das Fegefeuer - die Reflexion über Terror und Revolutionen - dauert hingegen lang: Godard holt den palästinensischen Denker Mahmoud Darwich und lässt ihn eine Rede über den Nahostkonflikt halten, der spanische Autor Juan Goytisolo hebt geistig ab und eine junge Israelin kommt nach Bosnien, um dort mehr über den heimatlichen Konflikt zu erfahren.

Daneben hält Godard in Sarajewo eine Vorlesung und muss sich über die Frage auslassen, ob die Digitaltechnik das Kino ruiniert. Am Ende des Fegefeuers erfährt Godard, dass die junge Israelin in Jerusalem erschossen wurde, weil sie für eine Selbstmordattentäterin gehalten wird. Wen darf es dann noch wundern, dass dann das Godard-Paradies dieses Films ein regennasser, von US-Marines bewachter Wald ist?

NOTRE MUSIQUE

CH/F 2004. Regie: Jean-Luc Godard.

Mit Sarah Adler, Nade Dieu, Rony Kramer. Verleih: Stadtkino. 80 Min.

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