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Die beiden Meldungen kamen binnen zweier Wochen. Das BBC World Service konnte, wie Ende März bekannt gegeben wurde, neue Hörerrekorde verzeichnen. Trotz der wachsenden Konkurrenz durch Satellitenfernsehen zumal in der außereuropäischen Welt stieg die Zahl der BBC-Getreuen um zwei Millionen auf insgesamt 153 Millionen, wobei weitere Millionen Hörer in Burma, Iran und Irak, in Ländern also, die keine einschlägigen Recherchen zulassen, vermutet werden. Als ebenso erfolgreich erweist sich BBC Online mit einem neuen Rekord von 40 Millionen Hits pro Monat.

Weniger Anlass zum Jubeln hatte BBC jedoch an der heimischen Front. Als Mitte Mai die "Bafta-Preise", die "Oscars" der hiesigen TV-Industrie, vergeben wurden, gingen elf Auszeichnungen an Channel 4, nur sieben dagegen an BBC. Bereits zuvor hatten Untersuchungen ergeben, dass in der Hauptsendezeit zwischen 18 Uhr 30 und 22 Uhr 30 der Sender ITV im Vorjahr mit 35,3 Prozent klar vor der BBC mit 28,7 Prozent lag.

Der Erfolg von Channel 4, erklärten Experten umgehend, sei für sie nicht überraschend gekommen. Als kommerziell finanzierter Sender mit einem öffentlich-rechtlichen Auftrag könne Channel 4 als Modell für die Sanierung anderer staatlicher Bereiche wie das Schul- und Gesundheitswesen oder die öffentlichen Verkehrsmittel dienen, hieß es gar. Zugleich wurde die Ablehnung des Vorschlags der Konservativen bekräftigt, die sich für eine Privatisierung von Channel 4 ausgesprochen hatten. In privater Hand würde der Sender unwillkürlich die Interessen von Aktionären voran stellen und jene Kreativität und Innovationsfreudigkeit einbüßen, die ihn in seit seiner Gründung vor 18 Jahren auszeichnet, waren sich Kommentatoren und die Unabhängige Fernsehkommission (ITC) einig.

Für die BBC aber stellt sich die drängende Frage, wie sie sich in einem immer wettbewerbsintensiveren Markt auch künftig behaupten kann. Eine kommerzielle Finanzierung - wie bei Channel 4 oder ITV, einem Netzwerk von 15 regionalen Sendern mit ebenfalls öffentlich-rechtlichen Auftrag - kommt nicht in Frage. "Warum lehnen wir Werbeeinschaltungen ab? Weil BBC damit unabhängig von Aktionären, Werbefirmen und anderem kommerziellen Druck bleibt", lautet das Bekenntnis. Und es wird ernst genommen, von Verfechtern des Prinzips einer öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalt ebenso wie von der privaten Konkurrenz. Wie ernst, wurde wieder klar, als BBC-Generaldirektor Greg Dyke es einmal wagte, laut darüber nachzudenken, ob man vielleicht auf der BBC-Webseite Inserate zulassen sollte, das absolute Werbeverbot im BBC-Radio und -TV gilt auch ihm als heilig. Die Proteste von Politikern wie privaten TV-Anstalten waren so heftig, dass Dyke den Gedanken, zumindest nicht mehr in Worte fasst.

Die BBC wird sich, wie in der regelmäßige erneuerten und nun bis 2006 laufenden Königlichen Charta festgelegt, für ihren Betrieb innerhalb Großbritanniens auch weiterhin vorwiegend aus den Rundfunkgebühren sowie einer Reihe anderer Einnahmequellen wie dem Vertrieb von Eigenproduktionen finanzieren. Als absoluter Hit erwiesen sich da zuletzt die Teletubbies, die an 140 Länder verkauft wurden. Allein der Umsatz mit den dazugehörenden Merchandising-Artikeln belief sich 1999 auf umgerechnet 17 Milliarden Schilling. Darüberhinaus darf die BBC außerhalb Großbritanniens mit ihrem BBC Worldwide kommerziell tätig sein.

Keine Croissants mehr BBC-Generaldirektor Dyke hat sich seit seinem Amtsantritt vor etwas mehr als einem Jahr zudem den Ruf eines Sparmeisters erworben. Statt derzeit 76 Prozent sollen bis zum Jahr 2005 85 Prozent aller Gebühreneinnahmen für die Programmgestaltung aufgewendet werden, lautet sein Ziel. "Unsere Aufgabe besteht darin, mit dem Geld die bestmöglichen Sendungen zu machen und so wenig wie nur irgendwie möglich für die Unternehmensführung auszugeben", erklärte Dyke. Keiner seiner Vorgänger hat so radikal den Rotstift angesetzt wie er. Da sind die kleinen Dinge, wie die Croissants, die nun nicht mehr bei den morgendlichen Sitzungen auf dem Tisch stehen. Taxifahrten dürfen keine Selbstverständlichkeit mehr sein, die Zahl der Wagen mit Chauffeur wurde reduziert.

Nach der Streichung von 250 Posten in Dykes erstem Amtsjahr sollen in den kommenden zwölf Monaten weitere 750 Stellen abgebaut werden. Denn von seinem Ziel, 130 Millionen Pfund einzusparen, ist der Generaldirektor noch weit entfernt. Lediglich knappe 30 Millionen waren es bislang.

Doch wie steht es um die Qualität bei der BBC, der gemeinhin als Mutter aller öffentlich-rechtlich Rundfunkanstalten titulierten British Broadcasting Corporation? An großen Worten ermangelt es nicht. Als "Bollwerk der Zivilisation" empfand Dyke-Vorgänger John Birt das Unternehmen. BBC-Fernsehdirektor Mark Thompson wollte gar eine "moralische und metaphysische Identität" des Senders erkennen. Auf nüchterner Ebene lautet der Auftrag: "informieren, bilden, unterhalten". Das tat die BBC bislang mit einem Mischprogramm: Leichtere Kost wechselte mit anspruchsvollen Sendungen, Bildungs- mit Unterhaltungsprogrammen. In einer Zeit, da die Zuseher unter einer großen Zahl von Kanälen wählen können, erscheint aber manchen ein Umdenken angesagt.

Dyke selbst will jedenfalls grundlegende Reformen durchziehen, in deren Zuge die bereits bestehenden Kanäle BBC 1 und BBC 2 sowie die geplanten digitalen BBC 3 und Fortsetzung auf Seite 15 BBC 4 ganz klare Profile erhalten sollen. "Streaming" mit entsprechender Zuseherbindung anstelle von Mischprogrammen lautet die Formel, zumal Untersuchungen ergeben haben, dass immer weniger Menschen die Mischung konsumieren, sondern eher weiterzappen, wenn ein für sie unattraktiver Teil der Mischung kommt.

Geht es nach Dyke, soll BBC 1 künftig zum Unterhaltungs- und BBC 2 zum topseriösen Informationssender werden, BBC 3 soll ganz spezifisch die Gruppe der 15-35-Jährigen ansprechen, BBC4 dagegen ein "schamlos intellektuelles" Kultur- und Kunstprogramm bieten. Untertags sollen beide Kanäle Kindersendungen ausstrahlen. Abgesehen von jenen Kritikern, die schon jetzt befürchten, dass sich BBC 3 im Wettkampf um jüngere Zuseher als "Schmutzkanal" voller Sex und derber Sprüche entpuppen könnte, führen vor neuer Konkurrenz besorgte private Stationen ins Treffen, dass die anvisierte Altersgruppe ohnedies bereits bestens bedient sei. Die 20- und 30-Jährigen für sich zu gewinnen und nicht an Channel 4 zu verlieren, ist nach Aussagen von BBC-Mitarbeitern tatsächlich kein Leichtes. "Die Jugend, alte Damen, Politiker und die Daily Mail" bei Laune zu halten, sei eine massive Herausforderung, zitierte der Guardian jüngst einen BBC-Vertreter.

Big Brother lief auf Channel 4, der sich generell durch mehr Pepp und Kreativität hervor tat. Channel 4, meinen hiesige Kommentatoren, sei eben mehr als nur ein TV-Sender, er sei ein Markenprodukt. ITV spricht dagegen mit seiner regionalen Bezogenheit an. Dennoch konnte BBC bei den beliebtesten Shows und Unterhaltungsprogrammen in etwa mit ITV mithalten. BBC-Traditionalisten fürchten nun, daß "ihr" Rundfunk im Kampf um Quoten Popularität über Qualität stellen könnte. Die Verlegung der Hauptabendnachrichten, die bereits ein Drittel ihrer Zuseher verloren hatten, von 21 auf 22 Uhr ist für sie das eine sichere Anzeichen dafür, das sinkende Niveau dieser News das andere. Auch Dyke selbst gesteht, daß der Erfolg oder Nicht-Erfolg der Nachrichten um 22 Uhr zu einer Messlatte seiner Politik werden wird.

Bekenntnis zur BBC Für die beiden neuen digitalen BBC-Kanäle stehen indes noch die Lizenzen aus. Zum einen ist die Debatte darüber, inwieweit eine so tiefgreifende Umgestaltung als Abweichen, wenn nicht gar Widerspruch zum öffentlich-rechtlichen Auftrag zu sehen sei, noch nicht ausgestanden. Zum anderen bedarf jede weitreichende Reform der Zustimmung sowohl des Kulturministers wie des zwölfköpfigen Board of Governors. Erst nach den für 7. Juni angesetzten Parlamentswahlen und der Bildung einer neuen Regierung kann also die Entscheidung fallen. Zudem steht die Ernennung eines neuen Chefs des Boards an, der, wie alle Board-Mitgliedern nominell durch die Königin, de facto durch die Regierung bestellt wird.

Von Dykes eigener Überzeugungskraft wird es dagegen abhängen, in wieweit er die BBC von einem südlastigen und, wie er selbst meint, "entsetzlich weißen" Rundfunk in einen verwandeln kann, der das gesamte Land und dessen ethnische Vielfalt, wenn nicht adäquat, so doch adäquater als bisher, repräsentiert. Dyke macht sich keine Illusionen: Hier wäre eine kulturelle Revolution angesagt, aber auch Schritt für Schritt wird sich wohl einiges verändern lassen.

Bleibt noch eine weitere Neuerung im Mediensektor, von der noch ungewiß ist, in wie weit sie auch die BBC betreffen wird. Bislang fungiert das Board of Governors als Selbstregulierungsinstanz fuer die BBC. Viele Stimmen aber sprechen sich dafür aus, dass die BBC diese Autonomie aufgeben und ebenfalls uneingeschränkt der geplanten medienübergreifenden Regulationsinstanz Ofcom unterstellt werden solle. Die potenzielle Rolle des Superregulator Ofcom aber hängt wiederum von der Europäischen Kommission ab, die Regelungen erwägt, mittels derer Brüssel in Entscheidungen nationaler Medienkontrollinstanzen eingreifen könnte.

Unumstritten aber bleibt vorerst das Bekenntnis der Briten zur BBC, auch wenn nicht auszuschließen ist, daß vor der nächsten Erneuerung der Charta im Jahre 2006 einige häretische Ideen vorgebracht werden.

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