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Symbiose von Hollywood und Silicon Valley: Die Videospiele sind 40 Jahre alt geworden.

Ja, es war einmal vor 40 Jahren - anno 1962 -, dass Steve Russell mit ein paar Kommilitonen vor einem Ungetüm von Computer saß, am weltberühmten Massachusetts Institute of Technology (MIT) in Cambridge bei Boston. Die Studenten wohl langweilten sich in der Mittagspause etwas an dem PDP-1, einer Art Urgroßvater der Rechner, und so tüftelten und bastelten sie so lange, bis sie zwei kleine Raumschiffe konzipiert hatten, die aufeinander schießen konnten. Die jungen Leute nannten das ganze "Spacewar" - und hatten damit, ohne es zu wissen, das erste Videospiel der Welt fabriziert (Anm.: Die Illustrationen zu diesem Beitrag stammen aus einem "Spacewar"-Spiel). Sie konnten natürlich auch nicht ahnen, dass sie damit den Grundstein für die Symbiose von Hollywood und dem künftigen Silicon Valley gelegt hatten. Sie hatten zudem völlig unbeabsichtigt bewiesen, dass ein Computer nicht nur wissenschaftlichen Zwecken dienen muss, sondern auch Instrument der Unterhaltung sein kann.

Die Zeit - diese sechziger Jahre - spielte bei der Schaffung von "Spacewar" eine entscheidende Rolle. Die Sowjets hatten im Weltraum die Nase vorn, John Glenn umrundete als erster Amerikaner die Erde, der Kalte Krieg war mit dem Bau der Berliner Mauer in eine gefährliche Phase getreten.

Die sechs Studenten, die da unter Leitung von Steve Russell das Programm für "Spacewar" geschrieben hatten, verdienten daran absolut nichts. Sie ahnten wohl nicht einmal, dass man diese Idee hätte gewinnträchtig vermarkten können. Sie hatten ihr Spiel lediglich zur eigenen Erbauung kreiert, zudem speziell geschrieben für den PDP-1, den schwerfälligen Großcomputer aus dem Hause Digital Equipment Corporation. PCs waren nicht einmal dem Namen nach bekannt. Für derartige Software gab es auch noch keine Patente. Das Spiel aber machte an der Elite-Universität Furore, immer mehr Studenten wollten sich an "Spacewar" probieren - schließlich wurde es verboten, das Spiel zu bestimmten Stunden zu spielen. Der Computer musste für wichtigere Aufgaben genutzt werden können, die Studenten sollten studieren, sich nicht mit einem Spiel amüsieren.

Aber "Spacewar", wo die Raumschiffe mit einem Joystick oder Keyboardtasten gesteuert werden mussten, wurde bald über die Grenzen des MIT-Campus hinaus bekannt und zum Kult. Hacker, die es auch damals schon gab, hatten das Spiel beispielsweise an die nahe Harvard-Universität geholt, wo es sich enormer Beliebtheit erfreute. Wenn man so will, war dieses erste Video-Spiel der Welt auch ein Vorbote der später so unglaublich erfolgreichen TV-Serie "Raumschiff Enterprise".

Dass "Spacewar" überhaupt geschaffen werden konnte und zu nutzen war, grenzt noch heute an ein Wunder. Denn mit 100.000 Instruktionen pro Sekunde, die PDP-1 bewältigen konnte, ist er im Vergleich zu heutigen Leistungen ein Fossil - zwei Milliarden Instruktionen pro Sekunde werden heutzutage erzielt. Der Ur-Computer von damals auch hatte nur neun Kilobytes RAM (Random Access Memory), heutige Desktops haben ein Gigabyte, eine Million Kilobytes.

"Spacewar" ist, analysiert man rückblickend, Urahn der Videospiele. Ein gewisser Nolan Bushnell hatte an der University of Utah eine Version des MlT-Spiels kennengelemt und schrieb daraufhin sein eigenes, "Computer Space" genanntes Game. Bushnell, der kurze Zeit danach die Atari Corporation gründete, spielte schon mit dem Gedanken der Kommerzialisierung. Ihm zuvor aber kam der Stanford-Student Bill Pitts. Der hatte einen mit Münzen zu fütternden Spielautomaten gebaut, der "Galaxy Game" offerierte, eine fortgeschrittene "Spacewar"-Story. Bill Pitts gilt deshalb als jener, der Videospiele als erster kommerzialisierte. Er verdiente mit seinem Automaten sehr schnell die 60.000 Dollar, die er - um sein Spiel zu konstruieren - geliehen hatte. Sein Spielautomat ist heute im Computer Museum History Center in Mountain View/Kalifornien zu bewundern. Auch auf zwei andere Freaks wirkte "Spacewar" ein: Steve Jobs and Steve Wozniak fuhren per Fahrrad zur Stanford-Uni, um das Spiel zu spielen - beide gründeten schließlich Apple Computer.

Und was ist aus den sechs Studenten geworden, die vor 40 Jahren "Spacewar" schrieben? Steve Russell, der eigentliche Initiator, ist Fachmann für künstliche Intelligenz der Nohau Corporation. In wahrhaft geheimer Mission arbeitet seit Jahren Dan Edwards, Kryptograf der geheimnisumwitterten amerikanischen National Security Agency. Martin Graetz ist Experte für Diagnostik-Software, Alan Kotok leitet das World Wide Web Consortium, das Richtlinien für Web-Technologie entwickelt. Peter Samson ist dem Spiel treu geblieben: Er ist beim Spielehersteller AutoDesk angestellt, wo er dreidimensionale Modelle schafft. Wayne Witanen schließlich ging kürzlich in Pension, nachdem er für General Motors als Mathematiker und Fachmann für künstlich Intelligenz gearbeitet hatte.

Ja, so werden diese sechs in diesem Monat zurückblicken, es war einmal...

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