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Die ungewisse Zukunft des Wiener Radiosymphonieorchesters nach Jahren einschneidender Sparmaßnahmen.

Bertrand de Billys Premiere als Chefdirigent am Pult des Radiosymphonieorchesters (RSO) im Wiener Musikverein hätte besser nicht klingen können: De Billy debütierte mit Mozarts "Linzer Symphonie", Staud, Berlioz' "Symphonie fantastique". Ein Programm, bei dem die stilistische Vielfalt des RSO so richtig erstrahlen konnte. Unisono reagierte die heimische Musikkritik enthusiastisch.

Zwischen der unumstrittenen Qualität dieses Klangkörpers und seiner materiell-existenziellen Befindlichkeit liegen Welten. Wie ein Damoklesschwert hängt die Entscheidung der ORF-Geschäftsführung über Weiterführung oder Ausgliederung über den RSO-Musikern. Im März 2003 sollen die Würfel endgültig gefallen sein. "Was passiert: Wir gliedern aus, dann reden wir drüber!" ist RSO-Betriebsrat Martin Machovitz besorgt. "Zuerst nimmt man uns alles weg, jetzt folgt die Ausgliederung!"

"Entsetzt über Einschnitte"

Wie die Nachfolge von Andrea Seebohm, der Managerin und künstlerischen Leiterin des RSO, gehandhabt wird, ist für ihn ein Indiz. 2003 geht Seebohm in Pension. Als das Orchester auf eine Stellenausschreibung drängte, wurde es vertröstet. Machovits: "Nun erfuhren wir aus der Zeitung, dass ein Geschäftsführer ausgeschrieben wird. Das deutet in Richtung Ausgliederung." Auf Anfrage der Furche meint Hörfunkdirektor Kurt Rammerstorfer: "Die Stelle von Seebohm wurde noch gar nicht ausgeschrieben."

Das Limit des RSO ist erreicht. Beim Hearing am 25. November, wo zu Orchesterprofil und Sparkurs referiert wurde, war Seebohm "entsetzt, dass es wieder Einschnitte geben soll". RSO-Chefdirigent Bertrand de Billy bekundete den Willen, noch mehr zu leisten und flexibel zu sein. Die Geschäftsführung glänzte durch Abwesenheit.

"Das Hearing war zur Information für Vertreter des Stiftungsrates gedacht", so Rammerstorfer. Es sei nicht zur "Diskussion von Geschäftsführung und Betrieb" angesetzt gewesen, betonte ORF-Administrationschef Wolfgang Buchner gegenüber der APA. "Von außen erhalten wir unglaubliche Unterstützung, die Leute gehen begeistert in unsere Konzerte. Aber im eigenen Haus gibt es wenig Verständnis für unsere Arbeit", zieht Machovits Bilanz über 13 Jahre RSO-Erfahrung.

"Evaluierung des Status quo"

Ein weiteres Detail macht ihn stutzig: 1995/96 hatte die Geschäftsführung das RSO vom Büro "Nidetzky&Partner" prüfen lassen. Die Ausgliederung wurde damals verworfen, dafür gab es ein stringentes Sparkonzept. Nun wurde eine weitere Studie beauftragt. "Wozu man eine neue Ausgliederungsstudie braucht, verstehe ich nicht", ist Machovits fassunglos. Rammerstorfer dazu zur Furche: "Es ist keine Ausgliederungsstudie, es wird eine Evaluierung des Status quo durchgeführt."

Die Lage des RSO ist prekär. 103 Mitglieder hatte der Klangkörper vor dem Sparkurs, bis 2005 sollte er auf 87 schrumpfen, dieses Ziel ist übererfüllt: Derzeit hält man bei 80 Musikern. Das Budget sank seit 1995 von 11,2 Millionen Euro auf heuer acht Millionen. Weil das sehr komplexe, probenintensive, zeitgenössische Repertoire mit dezimierter Mannschaft nicht mehr zu spielen war, wurde eine Orchesterakademie gegründet. Dort sind zehn Musiker ohne fixe Verträge engagiert, um auf die nötige Anzahl aufzustocken.

Jeder Musiker verdient seit 1996 etwa ein Monatsgehalt weniger, es gab eine neue Reise- und Orchesterordnung, Zulagenstreichungen, Überdienste wurden nicht mehr honoriert. Seitdem die Geschäftsführung im Juli einen Aufnahmestopp verhängt hat, können wichtige Positionen wie Konzertmeister, Fagott, Harfe und Violinen nicht mehr nachbesetzt werden.

"Die Existenzberechtigung eines großen Klangkörpers ORF-Symphonieorchester ist in der Pflege zeitgenössischer Musik gegeben. Damit übernahm der ORF eine Verpflichtung, die in einem Land, das als Musikland propagiert wird, nur teilweise erfüllt werden konnte. Der ORF sieht es als seine grundlegende Aufgabe an, die Konfrontation mit der Gegenwart zu suchen", meinte der damalige Hörfunkchef Alfred Hartner 1969, im Gründungsjahr des RSO. Hörfunkchef Rammerstorfer sieht das heute nüchterner: "Das RSO ist nicht im Gesetzesauftrag verankert." Doch abgesehen vom finanzschwachen Portugal hat jedes EU-Land ein oder mehrere Radiosymphonieorchester.

"Werden alles daran setzen"

Seit 1967 führte das RSO 370 zeitgenössische Komponisten auf, mit CD-Editionen österreichischer Zeitgenossen wie Friedrich Cerha, Gottfried von Einem, Kurt Schwertsik und internationaler Größen wie Philip Glass und Giya Kancheli deckt es einen Bereich ab, den niemand in dem Ausmaß wahrnimmt. Per Petition forderten Künstler wie Pierre Boulez, Nikolaus Harnoncourt, György Ligeti, Franz Welser-Möst, aber auch Nicht-Musiker wie Helmut Lohner den ORF auf, "dem RSO auch in Zukunft die nötigen Mittel zu garantieren, um den Betrieb eines vollständigen Symphonieorchesters aufrecht zu erhalten". Komponist und Dirigent Heinz Karl Gruber warnte: "Sollte das Weltspitzenorchester kaputt gespart werden, wäre das der größte kulturpolitische Skandal, den es je in dieser Republik gegeben hat."

Rammerstorfer kalmiert: "Wir werden alles daran setzen, den langfristigen Erhalt des Orchesters zu sichern." Wie sich der ORF das vorstellt, wird man im März wissen.

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