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"Radio Racja" heißt "richtiges Radio" und sendet von der polnischen Ostgrenze aus freie Nachrichten in die weißrussische Lukaschenko-Diktatur. von

Was ihre gegenseitige Ablehnung und Verachtung betrifft, bleiben sich Polens Regierungs-und Oppositionsparteien nichts schuldig - in einem Punkt sind sie sich aber einig: Beide Lager sind gegen das Regime des weißrussischen Präsidenten Alexander Lukaschenko. Und beide unterstützen daher die Finanzierung von "Radio Racja", das seit Februar dieses Jahres von Polen aus nach Weißrussland sendet. "Wir möchten damit die Schulden aus kommunistischen Zeiten abbezahlen, als sich Polen auf Nachrichten von Radio Freies Europa verlassen konnte", erklärte Michal Dworczyk, der Berater des polnischen Premiers, anlässlich der Inbetriebnahme des Senders einen Monat vor den letzten Präsidentenwahlen in Weißrussland. Dworczyk weiter: ",Radio Racja' soll dem Aufbau der demokratischen Gesellschaft in Weißrussland dienen, unsere Nachbarn im Osten können jetzt mit objektiven Nachrichten statt mit Propaganda rechnen."

Schneise ins Info-Vakuum

Trotz dieser undichten Stelle in Lukaschenkos Informationsvakkuum konnte sich der "letzte Diktator Europas" mit einem kolossal manipulierten Wahlsieg an der Spitze halten. Die EU protestierte und verhängte Einreiseverbote für weißrussische Politiker; Polen, das wegen Unstimmigkeiten in Zusammenhang mit der polnischen Minderheit in Weißrussland seinen Botschafter aus Minsk abgezogen hatte, war die EU-Sanktion jedoch zu wenig - deswegen wurde die Anzahl der polnischen Einreiseverbote für Weißrussen auch gleich verdreifacht.

Zum ersten Mal gelang es der bis dato zerstrittenen weißrussischen Opposition, bei den letzten Wahlen mit Alexander Milinkewitsch einen Gegenkandidaten zu Präsident Lukaschenko aufzustellen. "Wir sind das Mikrofon für Milinkewitsch", sagt Wiktor Stachwiuk, der Vorsitzender von "Radio Racja" mit Sitz in der ostpolnischen Kleinstadt Bialystok. Anlässlich eines Besuchs der Furche in den Redaktionsräumen des ersten polnischen Radios, das von weißrussischen Journalisten gestaltet und in weißrussischer Sprache über die Grenze gesendet wird, erklärt Stachwiuk das Programmkonzept: "Radio Racja" sendet rund um die Uhr; zu jeder vollen und halben Stunde gibt es Nachrichten bzw. Kurznachrichten; dazwischen achten die "Radio Racja"-Gestalter auf ein "wirklich erstklassiges Musikprogramm" - "damit versuchen wir, die Leute auf uns aufmerksam zu machen und sie als Hörer zu halten", erklärt Radiochef Stachwiuk, "denn wir haben in Weißrussland keine andere Werbung als ausschließlich Mundpropaganda."

"Nicht auf den Mond ziehen"

"Radio Racja" wird von Sendestationen in den Äther geschickt, die ganz Weißrussland abdecken. Gesendet wird generell über UKW, die am weitesten und vor allem unter Jugendlichen verbreitete Radiofrequenz. Vier Stunden täglich sind jedoch auch über Mittelwelle zu hören.

Um trotz der räumlichen Distanz aktuelle lokale Informationen senden zu können, verfügt das Radio über Korrespondenten in jeder größeren weißrussischen Stadt. "Und wir versuchen, unsere Mitarbeiter mit den besten technischen Geräten auszustatten", fügt Stachwiuk hinzu, "damit wir schneller sind als die staatliche Konkurrenz - und besser sowieso!"

Sind diese Korrespondenten nicht großer Gefahr durch das Regime ausgesetzt? "Natürlich leben diese Mitarbeiter gefährlich", antwortet Agnieszka Romaszewska-Guzy. "Doch es ist nicht so einfach - wir wissen nie, ob und wann das Regime zuschlägt; man lebt in ständiger Unsicherheit", ergänzt die Kontaktfrau von "Radio Racja" zu den offiziellen polnischen Stellen: "Doch es gibt keine Alternative, wir können nicht auf den Mond übersiedeln und hier haben wir nun einmal diesen Nachbarn."

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