Den Holl im Dorf lassen

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Adolf Holl begann vorletzten Montag mit seinen Gedanken für den Tag - jenen drei Minuten vor dem Ö1-Morgenjournal, in denen normalerweise Tiefgehendes, im besten Wortsinn Erbauliches zu hören ist: ein radiophones Kleinod, man muss der Religionsredaktion im ORF dafür mehr als dankbar sein.

Man konnte Holl aber nicht zu Ende hören, denn nach dem ersten jener sechs Gedanken (Thema: Religion und Sexualität) gab es einen Entrüstungssturm, und ab Dienstag kippte die ORF-Chefetage Holl aus dem Programm. Gleichzeitig wurde Holls Text von der ORF-Religion-Homepage gelöscht, sodass auch der Furche-Kommentator auf Mutmaßungen angewiesen ist. Stein des Anstoßes und der darauf folgenden Absetzung war, dass Holl ihm zugetragene drastische Sexualfantasien beim Betrachten einer Madonnenstatue wiedergab.

Die ORF-Oberen reagierten schnell - Management by Chaos: Dass Holl beim Thema Religion und Sex ganz und gar nicht stromlinienförmig argumentieren würde, war zu erwarten. Warum aber prüften die Zuständigen diese Gedanken für den Tag nicht vorab? Die inkriminierten Fantasien sind ja längst in Holls bei Styria erschienenem Band "Weihrauch und Schwefel" (2003) nachzulesen. Holl provoziert - das ist nicht neu. Aber derselbe Holl pflegt seine Provokationen postwendend in Frage zu stellen - auch die Gedanken für den Tag seien in diesem Sinn angelegt gewesen, lauten unsere Informationen.

Offenbar aber können Ö1-Hörer oder ORF-Vorgesetzte, wenn sie in Rage sind, nicht dazu bewegt werden, sich solchen Zwischentönen auszusetzen: Es wäre spannend, seine ihn als Gottseibeiuns qualifizierenden Kritiker mit dem theologisch oft genug altgvattrischen Holl (etwa: für Latein als Liturgiesprache...) in Auseinandersetzung zu bringen. Dem entzog sich der ORF jedoch, indem er sich der Holl'schen Provokation durch Absetzen der Sendung und Löschen des Textes im Internet entledigte.

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