Der große Innovator der größten Medienanstalt

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Noch in der letztwöchigen FURCHE mit dem Schwerpunkt "Zukunft Fernsehen" anlässlich 60 Jahre TV in Österreich war er "präsent": Denn die Fernsehgeschichte, ja die Medienentwicklung des Landes wäre ohne Gerd Bacher nicht denkbar. Am 27. Juni ist der Erneuerer des ORF im 90. Lebensjahr verstorben.

Auch der Autor dieser Zeilen versteht sich als Angehöriger der "Generation Bacher", welche mit dessen Rundfunkinnovationen groß wurde, und der im ORF-Abgang Bachers 1994 eine Zäsur sieht, die den öffentlich-rechtlichen Anspruch der größten Medienanstalt des Landes ins Wanken gebracht hat. Gerd Bachers Aufstieg zu einem der wichtigsten Medienmanager Österreichs ist untrennbar mit dem Rundfunkvolksbegehren 1964 verbunden, jenem von den Zeitungen initiierten Aufstand gegen das lähmende Proporzwesen im ORF. Interessant, dass ausgerechnet der Boulevard-Journalist Bacher, der u. a. Chefredakteur der Tageszeitung Bild-Telegraph war, den ORF aus den Klauen der Parteien befreite und ihm eine über Jahrzehnte währende programmatische Handschrift aufprägte. Politisch eigentlich ein "Rechter" ließ er den ORF in den späten 1960er-Jahren zu einem kreativen Vulkan werden, durchaus eine Spielwiese für jene Generation, der dann der Geruch "1968er" anhaftete. Ab 1967 war Bacher ORF-Generalintendant, der Presse-Karikaturist Ironimus verpasste ihm, einen Werbeslogan der Mineralölmarke Esso umwandelnd, den Spitznahmen "Tiger", der Bacher über seine ORF-Tätigkeit hinaus anhaftete.

Die ÖVP-Alleinregierung war mit der neuen Freiheit des ORF nicht glücklich, nach deren Abwahl 1970 wurde Bacher auch für Bruno Kreisky ein Dorn im Auge. Die Mobilisierung von Zehntausenden durch den ORF nach dem Olympia-Ausschluss von Karl Schranz 1972, die, so Bacher, zu den "im wahrsten Sinn des Wortes tollsten Ereignissen meines Medienlebens" gehörte, war Kreisky bald suspekt. 1974 wurde Bacher von der SPÖ-Mehrheit im ORF-Kuratorium abserviert, um vier Jahre später, aufgrund einiger abtrünniger SP-Stimmen überraschend zurückzukehren.

In seiner letzten ORF-Generalintendanz (1990-94) versuchte Gerd Bacher, die Weichen fürs duale Rundfunksystem mit öffentlich-rechtlichen und privaten Sendern zu stellen, der ORF-Slogan "Vom Monopol zum Marktführer" nahm die Herausforderung der neuen Zeiten an. Bachers Nachfolger Gerhard Zeiler vollzog dann den Kurswechsel hin zur Selbstkommerzialisierung des ORF, ein Strategiewechsel, an dem die Anstalt noch heute zu nagen hat.

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