"Der ORF ist nicht mehr sehr öffentlich-rechtlich"

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Horst Pirker im furche-Gespräch über ORF-Gesetz und Privat-Fernsehen in Österreich, die Kampagnenfähigkeit von "Kronen Zeitung" und "News", Magazinpläne der Styria und die katholischen Wurzeln seines Medienkonzerns.

die furche: Die Bewerbungen für Privat-TV-Lizenzen sind abgegeben. Der Styria-Konzern bewirbt sich nicht um eine österreichweite Lizenz. Warum?

horst pirker: Wir haben das sehr gewissenhaft geprüft, weil wir eigentlich große Lust hätten, in Österreich nationales TV zu betreiben. Nach unserem bestem Wissen und Gewissen ist es aber nicht möglich, erfolgreich privates terrestrisches Fernsehen in Österreich zu betreiben, solange die Rahmenbedingungen so sind, wie sie sind.

die furche: War diese Erkenntnis wirklich überraschend? Immerhin predigen das die Großen der Branche im ganzen deutschen Sprachraum seit Jahren.

pirker: Ja, es war keine Neuigkeit. Aber: Österreich war das letzte Land Europas, in dem es kein privates terrestrisches Fernsehen gegeben hat. Und damit ist für ein Medienunternehmen, das eine Rolle spielen will, jeder auch noch so unwahrscheinliche Weg zu gehen, doch zu einer positiven Entscheidung in dem Kontext zu kommen. Es gehört aber auch zur Verantwortung, dass, wenn man dann trotzdem zu einem negativen Ergebnis kommt, man keinen irrationalen Dingen nachläuft.

die furche: Sie haben sich aber um einige lokale TV-Frequenzen beworben, darunter solche, die gar nicht ausgeschrieben waren.

pirker: Wir haben uns vorsorglich beworben, weil zwei Dinge denkbar waren: Zum einen, dass es gar keine ernst zu nehmende nationale Bewerbung gibt, zum anderen, dass bei der Vergabe der Frequenzen für ein nationales Fernsehen Frequenzen frei bleiben für einige Ballungsgebiete. Wir haben uns insgesamt drei Ballungsgebiete vorgenommen. Das eine ist Graz, das andere ist Klagenfurt - das sind Bewerbungen für den Fall, dass aus dem nationalen Vorgang etwas übrigbleibt; und wir haben uns in Linz beworben, wo wir seit einiger Zeit in einem Privat-TV-Pilotunternehmen tätig sind.

die furche: Es hat mehr Bewerbungen gegeben, als man gedacht hat. Waren Sie persönlich darüber überrascht?

pirker: Ich war überrascht, wenngleich die Konsistenz dieser Bewerbungen unterschiedlich ist. Ich habe mich aber vor allem für jene gefreut - und das ist in dem Fall die jetzige Regierung -, die sich um diese Öffnung verdient gemacht haben, wenngleich ich hinzufüge, dass die Qualität der Öffnung kritikwürdig ist.

die furche: Auf der anderen Seite steht das ORF-Gesetz, für dessen Änderung Sie sich sehr stark gemacht haben. Wie sind Sie damit zufrieden?

pirker: Da gilt das Gleiche: Der Wille war vorhanden, die Richtung hat gestimmt; doch das Ausmaß der Korrekturen ist ganz eindeutig zu gering.

die furche: Der ORF ist nach wie vor zu stark?

pirker: Viel zu stark! Und die Rache dafür wird auf dem Fuß folgen.

die furche: Es gibt jede Menge Bekenntnisse von Politikern und Medienleuten zu einem starken öffentlich-rechtlichen Rundfunk; gleichzeitig gebieten es die Eigeninteressen Letzterer, diesen ORF möglichst klein und schwach zu halten. Wie ist das politisch zu bewältigen?

pirker: Der ORF ist ja nur von der Finanzierungsseite her eine öffentlich-rechtliche Anstalt: Es gibt auf der ganzen Welt keine Anstalt, die über eine so umfangreiche Finanzierung aus öffentlichen Mitteln verfügt und sich gleichzeitig so privatwirtschaftlich bedienen darf. Auch ich bekenne mich zu einem starken öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Ich meine allerdings beides: stark und öffentlich-rechtlich. Was wir jetzt haben ist ein öffentlich-rechtlich finanzierter, aber privatwirtschaftlich sich gerierender ORF.

die furche: Was der ORF inhaltlich-programmatisch an öffentlich-rechtlichem Anteil bietet, ist vermutlich noch immer etwas, was ein Privater in dieser Form nicht zusammenbringen würde.

pirker: In Österreich wäre das sicher sehr schwierig. Man muss allerdings zwischen den beiden Programmen unterscheiden. Ich habe ORF1 über eine längere Zeit hin untersucht und bin auf einen öffentlich-rechtlichen Anteil von einem Prozent der Sendeflächen gekommen, bei ORF2 sind es zwischen 20 und 30 Prozent der Sendeflächen. Das heißt, sehr öffentlich-rechtlich ist der ORF nicht mehr; das, was er aber öffentlich-rechtlich macht, ist durchaus akzeptabel. Wirklich öffentlich-rechtlich ist aus meiner Sicht nur ein Programm, und das ist Ö1 - mit Abstand die beste Leistung des ORF.

die furche: Glauben Sie, dass ein in Ihrem Sinne öffentlich-rechtlich agierender ORF finanziell bestehen könnte?

pirker: Der würde besser bestehen, als der ORF jetzt besteht! Wolf-Dieter Ring, Präsident der Bayerischen Landeszentrale für neue Medien, hat nachgewiesen, dass heute aus öffentlich-rechtlichen Geldern etwa 2,5 Milliarden Schilling quersubventioniert werden müssen in Richtung ORF1, also in Richtung jener Inhalte, die im privaten Fernsehen auch geboten werden.

die furche: Sie waren auch einer der schärfsten Kritiker der Mediaprint-Fellner-Magazinfusion. Haben sich die Befürchtungen bestätigt?

pirker: In Österreich ist die Situation durch das hohe Maß an Marktkonzentration sehr, sehr schwierig: Einerseits für die Marktteilnehmer, zu denen wir auch zählen - aber wir haben die Möglichkeit ins Ausland auszuweichen, was wir auch tun. Andererseits für die Politik, die keine Chance auszuweichen hat - diese ist gerade in den vergangenen Wochen mit Kampagnen konfrontiert, die auch von persönlichen Diffamierungen nicht absehen. Hier gibt es einen konzertierten Auftritt. Jetzt kann man behaupten, das ist alles Zufall. Ich selber habe Mühe, hier an Zufälle zu glauben.

die furche: Was Sie sagen, gilt aber nicht für alle Medien dieser Familie gleichermaßen - wenn man an profil oder den Kurier denkt.

pirker: Ich glaube, dass die wesentlichen Medien, die im Ausüben von Kampagnen geübt sind, durchaus deckungsgleiche Stoßrichtungen haben. Dass dann an der Peripherie da oder dort etwas um eine Nuance anders gesehen wird, kann schon sein - es sind nur nicht jene Medien, die tatsächlich einen prägenden Einfluss haben.

die furche: Mit den prägenden Medien meinen Sie Krone und News ...

pirker: Das sind zwei Medien, die ihre Kampagnenfähigkeit mehrmals eindrucksvoll nachgewiesen haben.

die furche: Ist der Magazinmarkt noch so interessant für Sie, dass Sie nach wie vor an einem Magazin arbeiten?

pirker: In unserer Unternehmensgruppe laufen regional ein paar Magazinversuche sehr erfolgreich; da lernen wir das Magazinmachen. Das heißt, das Engagement im Magazinbereich ist nach wie vor aktuell. Es setzt nur ganz bestimmte Rahmenbedingungen voraus, an denen wir noch arbeiten.

die furche: Gibt es für die Expansionspläne der Styria eine inhaltliche Firmenphilosophie? Sie haben als Basis für die Styria einmal die Formel vom sorgfältigen Umgang mit der Menschenwürde geprägt. Da hat fast alles Platz.

pirker: Ich glaube, dass wir für ein breites Spektrum von inhaltlichen Ausrichtungen Platz haben sollten, was ich aber ausdrücklich ausgrenze, ist der rechte und der linke Rand.

die furche: Die Styria steht in der Tradition der katholischen Pressvereine. Inwieweit spielt das noch eine Rolle?

pirker: Das spielt schon eine Rolle, das ist die Antwort auf die Frage, woher wir kommen. Lange Zeit war dieser Verein selber Unternehmer, das heißt, es war eine Vereinsorganisation, zu deren Grundprinzipien gehört hat, dass es sich hier um eigenverantwortliche Menschen handelt. Und dieses Prinzip der Eigenverantwortung ist uns immer noch sehr wichtig und manifestiert sich eben auch darin, dass Medien ganz unterschiedlicher Ausrichtung in unserem Konzern Platz haben.

die furche: Wie definieren Sie das Verhältnis des Styria-Konzerns zur katholischen Kirche?

pirker: Ich kann es nur von unserer Seite aus definieren: Es ist ein Verhältnis der kritischen Zuneigung. Da sind mir beide Worte - kritisch und Zuneigung - wichtig. Ich persönlich schaue mit Liebe auf diese Kirche, aber ohne einen Skontoabzug in der Kritikfähigkeit.

Das Gespräch führten Otto Friedrich und Rudolf Mitlöhner

Zur Person: "Geist schlägt Masse im Elfmeterschießen"

Er ist einer der vielen Kärntner, die in Graz im fruchtbaren Biotop der Katholischen Hochschulgemeinde sozialisiert wurden - Hochschulseelsorger war zu seinen Universitätszeiten Egon Kapellari, der im April dieses Jahres nach zwei Jahrzehnten an der Spitze der Diözese Gurk-Klagenfurt als Bischof nach Graz zurückgekehrt ist. Nach dem Jusstudium begann der 1959 geborene Horst Pirker als Assistent der Verlagsleitung der Kleinen Zeitung Klagenfurt, wurde dann selbst Verlagsleiter der Kärntner Kleinen, später Verlagsdirektor des Styria Zeitungsverlages in Graz. Seit 1997 ist er im Vorstand der Styria Medien AG, seit 1999 Vorsitzender des Vorstandes. Als berührendste Situation in seinem Berufsleben nennt er den "Weg von der alten Heimat Kärnten in die neue Heimat Steiermark", als Lebensmotto "Geist schlägt Masse im Elfmeterschießen". Ein schönes Wort, für die furche zumal. Dass der Satz auch etwas über das Verhältnis zwischen Steirern und Kärntnern aussagt, würde Pirker indes glatt bestreiten. RM

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