Der Tod als Werbekampagne

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Der plötzliche Tod des Schauspielers Heath Ledger bescherte Hollywood einen seiner größten Erfolge: den neuen Batman-Film „The Dark Knight“.

Der Stoff, aus dem Legenden sind: Ein junger australischer Schauspieler, der bereits in einigen aufsehenerregenden Filmen mitwirkte, nimmt die Rolle des Bösewichts an. Aber nicht irgendeines Bösewichts, sondern die des Jokers. Ein fieser Psychopath, der all die Ängste der vom Terror gebeutelten USA in einer Person zentriert. Bezeichnenderweise ist der Joker von Batman-Erfinder Bob Kane bereits in den frühen 1940er Jahren in die Comicreihe eingeführt worden, hat aber aufgrund seiner Charakterzeichnung als Terrorist erschreckend zeitgemäße Bedeutung.

Dieser Schauspieler muss sich mit Jack Nicholson messen, der den Joker bereits 1989 in Tim Burtons „Batman“ fabelhaft zynisch spielte. Daher vergräbt er sich in die Psyche dieser Rolle, um der Figur den nötigen düsteren Touch zu geben. Komisch ist an diesem Clown nichts, außer die weiße Gesichtsfarbe. Ein Prototyp des Antihelden, des Bösen, von dem man die Augen aus Faszination aber nicht abwenden kann.

Heath Ledger heißt der junge Mann, der in „The Dark Knight“, seinem letzten Film, den Joker spielt. Die Rolle soll Ledger so sehr beschäftigt haben, dass die Finsternis der Seele dieses fiktiven Verbrechers schnell als plausibler Grund für den Tod des jungen Schauspielers am 22. Jänner 2008 ausgemacht wurde. Ledger starb an einer Überdosis verschreibungspflichtiger Medikamente, und obwohl schnell von einem Unfall die Rede war, klingen die Depressionen, die der Joker in ihm hervorgerufen haben soll, doch allzu verlockend für ein Erklärungsmuster. Sogar auf dem seriösen Sender CNN spekulierten die Reporter, der Joker sei verflucht, weil alle seine bisherigen Darsteller massive Probleme bekamen – selbst Nicholson habe schlecht geschlafen, meinte ein Reporter. Und er soll Ledger gewarnt haben: „Der Joker wird von dir Besitz ergreifen.“ Mythenbildung à la Hollywood.

Kassenschlager

Jetzt ist „The Dark Knight“, das sechste Batman-Abenteuer, in den USA angelaufen und brach alle Rekorde: 18,5 Millionen Dollar bei den Mitternachtsvorstellungen am Freitag (bisher Spitzenreiter: „Star Wars Episode III“ mit 16,9 Millionen), 66,4 Millionen Dollar Einspielergebnis am ersten Tag (bisher: „Spider-Man 3“ mit 59,8 Millionen) und 155,3 Millionen am ersten Wochenende – er stieß auch hier „Spider-Man III“ (151,1 Millionen) vom Thron.

Die Kritiker lobten Ledger über Gebühr für seine psychopathische Interpretation des Jokers. Die New York Times schrieb: „Dieser Joker ist nicht nur ein Clown, er ist auch ein Meisterwerk.“

Ein Clown, ein Meisterwerk

In Hollywood fordert man schon, dem Toten im Frühjahr 2009 postum einen Oscar zu verleihen. Ledger war bereits 2006 nominiert, als er in „Brokeback Mountain“ einen schwulen Cowboy mimte. Das war den Amerikanern aber dann doch zu gewagt. Für die Rolle des eiskalten Psychokillers hingegen hält nun jedermann einen Oscar für möglich.

Der Ansturm auf „The Dark Knight“ in den USA ist die Folge eines lange geschürten Hypes in Medien und Werbekampagnen und ist ein Musterbeispiel für die Kaltblütigkeit Hollywoods: Das Filmstudio Warner hat seine gesamte Marketingkampagne auf die Figur des Jokers zugeschnitten, und das Ableben seines Darstellers hat eine vielleicht ungewollte, aber profitable Dynamik erzeugt. Auf den meisten Plakaten ist der Joker zu sehen, Batman wird im eigenen Film zum Nebendarsteller. Warner startete den Film landesweit in 4366 Kinosälen, eine Kopienanzahl, die bisher noch kein anderes Studio gewagt hat. Der Tod Heath Ledgers wurde zur besten Werbung für den Film und brachte Hollywood großen Profit.Beispiele hierfür gibt es genug: Manche Lizenzinhaber leben heute noch sehr gut von James Dean, Marilyn Monroe oder Elvis Presley. Und Kurt Cobain hat nach seinem Selbstmord mehr Platten verkauft als jemals zuvor.

Über 40 Prozent eines Filmbudgets fließen in Hollywood ins Marketing. Filmemacher Woody Allen kritisierte stets: „Das Werbebudget eines einzigen Films ist so groß, dass damit ein genialer Regisseur wie Ingmar Bergman alle Filme seines Lebens hätte machen können! Diese Strategie wird sich auch nie ändern, denn in diesem Geschäft steckt zu viel Geld drin.“ Mittlerweile gilt die Devise: Was der Film nicht am ersten Wochenende einspielt, wird er niemals einspielen. Alt-Star Dustin Hoffman äußerte sich im Furche-Interview dazu kritisch: „Wenn ein Film an einem Freitag startet, wissen die Studios mit der letzten Vorstellung des Tages bereits, wie die gesamten Einnahmen aussehen werden. Und das mit computerisierter Exaktheit.“ Tatsächlich: Am Sonntag hatte Warner Bros. bereits prognostiziert, dass „The Dark Knight“ bis zum Ende dieser Woche die 200-Millionen-Dollar-Marke geknackt haben wird.

Kein grundloser Erfolg

Die Zentrierung aufs Startwochenende hat einen Grund: Einerseits laufen jede Woche bis zu zehn Filme an, andererseits ist die Piraterie ein Problem: Eine Recherche am Sonntag, also zwei Tage nach Filmstart, ergab, dass „The Dark Knight“ bereits auf zahllosen frei zugänglichen Seiten online als Videostream abgerufen werden konnte. Seltsam eigentlich, dass Warner mit „The Dark Knight“ wieder vom allgemeinen Trend abgerückt ist, große Blockbuster weltweit zeitgleich in die Kinos zu bringen (der Film startet etwa in Österreich erst am 22. August).

Der Erfolg von „The Dark Knight“ beruht nicht auf der Qualität des Films, sondern auf dem Marketingplan, der ganz auf die Mythenbildung setzte. US-Medienanalyst Paul Dergarabedian: „Ledgers mystische und phänomenale Leistung ist allein dafür verantwortlich, dass der Film so ein Erfolg ist. Bisherige Batman-Filme spielten im Schnitt 50 Mio. Dollar am ersten Wochenende ein. Der neue Film erzielte das dreifache. Und das nicht ohne Grund.“

Heath Ledger selbst betonte stets: „Ich messe Erfolg nicht am Einspielergebnis. Für mich zählt das persönliche Gefühl, das ich mit einem Film habe. Viele Filme kommen nur ins Kino, um möglichst viel Geld einzuspielen. Dabei handelt es sich meistens um Mist. Ich wähle meine Rollen so aus, dass ich mir eine gewisse Würde behalte und nicht jeden Mist mache, nur weil viel Geld drin steckt.“

Diese Haltung in allen Ehren, doch sie hat mit Hollywood rein gar nichts zu tun. Denn dort lässt sich, selbst wenn man tot ist, noch viel Geld verdienen. Meistens sogar mehr als zu Lebzeiten.

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