Diagonal-Treibereien

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Vor dem Start der Austro-Filmschau Diagonale (24. bis 30. März) in Graz sorgt die Neuausschreibung der Festivalleitung für politischen Wirbel.

Seit die Diagonale vor sechs Jahren erstmals in Graz stattfand, hat sich viel getan in der heimischen Filmlandschaft. Österreichische Filme sind international erfolgreicher denn je, die Grabenkämpfe innerhalb der Filmbranche scheinen endgültig beseitigt. Zumindest letzteres ist ein Verdienst der Diagonale, die mit Constantin Wulff und Christine Dollhofer eine Intendanz besaß, die bemüht war, ein Programm-Gleichgewicht bei inhaltlicher Vielfalt herzustellen.

Nun aber, kurz vor der aktuellen Diagonale, wurden die Posten der Festivalleitung von Kunst-Staatssekretär Franz Morak neu ausgeschrieben. Die alte Leitung soll abtreten: "Sie hat sechs Jahre lang erfolgreiche Arbeit geleistet, nun ist es an der Zeit, auch anderen eine Chance zu geben", sagt Katharina Stourzh, Moraks Pressesprecherin.

Vor Neuausrichtung?

Die Vorgeschichte: Schon im Sommer 2002 hatte Constantin Wulff bekannt gegeben, aus persönlichen Gründen nicht mehr als Diagonale-Leiter zur Verfügung zu stehen. Christine Dollhofer hingegen wurde vom mittlerweile geschlossen zurückgetretenen DiagonaleBeirat ermuntert, allein weiterzumachen; sie wandte sich brieflich an Morak. Doch aus Wien kam keine Reaktion.

Im November vertröstete man Dollhofer mit einem knappen Schreiben, schon in Bälde eine Entscheidung zu treffen. Doch die kam nicht. "Neun Monate habe ich nun auf eine Rückmeldung gewartet. Die Bitte um meine Verlängerung als Diagonale-Intendantin wurde mit einer Neuausschreibung beantwortet", beklagt sich Dollhofer.

Ein lauter Aufschrei gegen Moraks "Hinhaltetaktik" (ein Filmemacher) war die Folge: Fast die gesamte Filmbranche stellte sich hinter Dollhofer, eine Petition der Wiener Filmproduktion "Amour fou" brachte bis Redaktionsschluss knapp 1.000 Unterschriften, von Barbara Albert über Erwin Steinhauer bis zu Ludwig Hirsch.

Dass hinter der Neuausschreibung politische Gründe stecken, will Dollhofer nicht kommentieren, Dollhofer und Wulff hatten sich nach 2000 immer wieder massiv gegen Schwarz-Blau geäußert.

Im Büro Morak ist freilich nicht die Rede von politischen Gründen: "Sonst hätte Morak Dollhofer und Wulff schon früher abberufen können. Faktum ist aber, dass er sie zwei Mal, 2001 und 2002, neu bestellt hat", meint Katharina Stourzh.

Dass die Nationalratswahlen an der Verzögerung schuld waren, hält Stourzh aber für möglich: "Der Sommer ist für Ausschreibungen ungeeignet und es hätte eine schiefe Optik, hätte man den Posten gleich nach der Wahl neu ausgeschrieben." Dollhofer: "Die Wahl ist eine Ausrede, denn die Zuständigen waren ja auch während der Sondierungsgespräche im Amt."

Aus Graz kommt, sowohl von Noch-Bürgermeister Alfred Stingl (SPÖ) also auch von dessen VP-Nachfolger Siegfried Nagl, Solidarität für Dollhofer. "Wir haben von der Entwicklung in Wien nichts gewusst", sagt Detlev Eiselsberg, Nagls Pressesprecher. "Es wäre nicht soweit hergeholt, vor allem unter Parteikollegen, uns vorher zu informieren." Die Stadt Graz ist mit 209.000 Euro der zweitwichtigste Förderer der Diagonale, hat aber kaum Mitspracherecht: Denn die Bestellung der Leitung liegt beim Kulturstaatssekretär. Dennoch: Die Stadt Graz möchte Christine Dollhofer doch noch dazu bewegen, sich im Zuge der Neuausschreibung nochmals zu bewerben.

Etwas, was Dollhofer "auf keinen Fall" machen will. "Ich habe mich neun Monate beworben. Ich habe zur Kenntnis genommen, dass meine Erfahrung nicht gewollt war."

Die Ausschreibung (für drei Jahre) sehe zudem eine komplette Umpositionierung der Diagonale vor, hin zu einem mittel- und osteuropäischen Schwerpunkt. Die "Kenntnis einer mittel- bzw. osteuropäischen Sprache in Wort und Schrift" ist Voraussetzung. Dollhofer sieht sich aufgrund dieser Bedingung von vornherein ausgeschlossen. "Warum muss der Leiter eines österreichischen Festivals eine osteuropäische Sprache beherrschen?" Genau gelesen würden aber auch Deutschkenntnisse ausreichen: Denn Deutsch ist wohl eine mitteleuropäische Sprache.

Für Dollhofer ist der Fortbestand der Diagonale durch die späte Neuausschreibung gefährdet. Die neue Leitung soll erst im Juni bestellt werden, dann bliebe nur wenig Zeit für die Planung der Ausgabe 2004. Dollhofer will aber mit der neuen Führung kooperieren und die Amtsgeschäfte ordentlich übergeben. "Es liegt mir viel an der Diagonale, deshalb wünsche ich mir, dass es gute Leute sind, die als Integrationsfiguren innerhalb der Branche wirken können."

Wieder starkes Programm

Dass vor dem Hintergrund dieser Querelen das Filmprogramm auf der Strecke bleibt, scheint unwahrscheinlich. Mit Premieren wie Valentin Hitz' "Kaltfront", Michael Pfeiffenbergers "011 Beograd", Franz Novotnys "YU" oder Niki Lists Doku "Move" zeigt die Diagonale wieder eine starkes Programm. Programmatisch wirkt der Titel des Eröffnungsfilms von Nina Kusturica: "Auswege".

Diese Auswege werden wohl erst nach der Diagonale gefunden werden. Dollhofer: "Jetzt machen wir mal ein fulminantes Festival, danach können wir dann sentimental werden."

INFOrmationen & PROGRAMM:

www.diagonale.at

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