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Nord-Süd-Ungleichheit bei der Information: Der "Weltgipfel der Informationsgesellschaft" soll Abhilfe schaffen. Ein frommer Wunsch.

Nichts weniger, als die gerechte Teilhabe aller Menschen an der Informationsgesellschaft festzuschreiben, hat der erste UN-"Weltgipfel der Informationsgesellschaft" (WSIS-World Summit of the Information Society), der auf Einladung der Schweiz zwischen 8. und 12. Dezember in Genf stattfinden wird, zum Ziel, das aber schon im Vorfeld vom Scheitern bedroht ist. Wissen ist Macht und Geld, sagen Industrieländer und Großkonzerne einträchtig und hegen keinerlei Ambitionen, diese zu teilen, zumal sie viel Geld in neue Technologien gepumpt haben - in solche, die sich im Norden gut verkaufen.

Der Süden ist dagegen praktisch ausgeschlossen vom Informationsfluss, selektiv bewirtschaftet, mitunter von politischen Überlegungen behindert, noch kein lukrativer Markt. Abgesehen vom Geld fehlt es vor allem in den Entwicklungsländern an grundlegenden Dingen wie Strom und elektronischen Kenntnissen. Eine "digitale Kluft" ("digital gap") trennt Nord und Süd, spaltet die Weltbevölkerung erneut.

Diese Kluft zu überwinden, sich den Herausforderungen und Problemen zu stellen, die "die rasante Entwicklung bisher unbekannter Informations- und Kommunikationstechnologien" mit sich bringen, ist erklärte Absicht des Weltgipfels, dessen erster Teil jetzt in Genf und dessen zweiter Teil dann im November 2005 in Tunis stattfinden wird. Zahlreiche Vertreter von Regierungen, Wirtschaft, internationalen Organisationen, Zivilgesellschaft (NGOs, Menschenrechtsgruppen, Umweltverbänden) sollen im Gespräch miteinander Modelle und Wege finden, den Benachteiligten den Zugang zu Information und Wissen zu ermöglichen und damit eine wesentliche Voraussetzung zur Überwindung von Not und Elend schaffen. Konkretes Ergebnis soll ein Aktionsplan sein, der u.a. den Internet-Anschluss aller Universitäten, aller Krankenhäuser und aller Dörfer sowie die drahtlose Kommunikationsmöglichkeit für 100 Prozent der Weltbevölkerung bis zum Jahr 2015 vorsieht.

Reiche Länder & Diktaturen

So weit die Vision. Die Realität ist freilich anders. Die Vorbereitungssitzungen, bei denen die Themenkreise des Gipfels hätten beschlossen werden sollen, gingen relativ ergebnislos zu Ende. "Es ist nicht genügend politischer Druck vorhanden", bemängelte etwa der Vertreter des schweizerischen Außenamtes. Und die Vertreter der Zivilgesellschaft drohen gar mit der Verweigerung ihrer Unterschrift unters offizielle WSIS-Dokument, sollten die Regierungen weiterhin ihre grundlegenden Forderungen negieren - u.a. freie Software und freier Zugang zu wissenschaftlichen und technologischen Informationen für den Süden, demokratische und transparente InternetVerwaltung, Gleichbehandlung der Geschlechter und Minderheiten, das Recht auf freie Meinungsäußerung. Eine Drohung übrigens, die möglicherweise ohnedies ins Leere geht, wurde die NGOs immer mehr aus der Position der Mitentscheider weggedrängt. Womit die ursprünglich angestrebte Struktur des Gipfels wankt, sollte doch in Genf erstmalig bei einer UN-Konferenz eine gleichberechtigte Dreierpartnerschaft aus Regierungen, privatem Sektor (Wirtschaft) und Zivilgesellschaft nicht nur debattieren, sondern auch Beschlüsse fassen.

Nun dominieren Stichworten wie Netzsicherheit, technologische Infrastruktur und E-Commerce, und die Sicht verengt sich auf rein technische Aspekte - was auch damit zu tun hat, dass die Internationalen Fernmeldebehörde, die selbst eher an technischen Fragen interessiert ist, den Gipfels federführend betreut. Außerdem weisen Staaten wie China und Pakistan Vorschläge, die Meinungsfreiheit im Netz garantieren sollen, als Einmischung in innere Angelegenheiten zurück: Soziale, kulturelle und ethische Interessen geraten so ins Hintertreffen. "Regierungen mit offensichtlich wirtschaftlichen Interessen haben mit ihrer Verhinderungstaktik in Regimes, die einer offenen Informationsgesellschaft wenig abzugewinnen vermögen, streitbare Verbündete gefunden", resümiert dann auch Urs Jaeggi, Informationsbeauftragter der evangelischen Entwicklungshilfeorganisation "Brot für die Welt", die sich im gesamten Prozess stark engagiert. Jaeggi ist dennoch zuversichtlich, dass beim Gipfel letztlich auch Programme und Inhalte diskutiert werden.

Wenn nicht in Genf, dann in Tunis 2005.

INFOS: www.wsisgeneva2003.org

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