Die "digitale Spaltung"

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Nur ein Bruchteil der sechs Milliarden Menschen sind "Netizens", Bürger der Internetgesellschaft.

Der Anschluss ans weltweite Kommunikationsnetz wird zur fundamentalen Voraussetzung, um im Zeitalter der Wissensgesellschaft "mitmachen" zu können und nicht ins Abseits zu geraten. Soweit herrschte Konsens unter den internationalen Experten für elektronische Kommunikation, die Ende September in Wien über die "Herausforderung für einen globalen Dialog" diskutierten.

Afrika: nur 5.000 Internet-Adressen

Doch einig war man sich auch darüber, dass trotz zahlreicher weltweiter Bemühungen die Kluft zwischen Online-Bürgern und den "digitalen Obdachlosen" immer tiefer werde: Wer nicht jung, reich, männlich, weiß und urban sei, laufe statistisch betrachtet Gefahr, durch die Maschen der Kommunikationsnetz zu rutschen: So liegt der überragende Teil der 200 Millionen Web-Adressen auch in den OECD-Staaten, während ganz Afrika nur 5.000 Adressen stellt ...

Diese "digitale Apartheid" verläuft haargenau entlang der traditionellen Wohlstandsgrenze. Gegenwärtig verfügen 20 Prozent der Menschheit über 80 Prozent des Welteinkommens, und dieses Verhältnis verschlechtert sich seit dreißig Jahren. Zu Beginn der Internet-Euphorie hatten diverse Geber-Organisationen wie die Weltbank noch gehofft, diese Kluft könnte mittels der neuen, relativ billigen Informationstechnologie überbrückt werden. Dazu sollten die Entwicklungsländer unter Auslassung der teuren Industrialisierung gleich direkt ins lukrative Informationszeitalter einsteigen.

E-Commerce als Hase aus dem Zylinder? Theoretisch ermöglicht der Web-Zugang der benachteiligten Bevölkerung mehr Information über bessere Vermarktungsmöglichkeiten für ihre Produkte. Überhaupt entstünden durch den boomenden E-Commerce ein Rattenschwanz an neuen Jobs. Das sei wohl wahr, stimmt Professor Jyoti Parikh aus Indien, dem "Musterland" der Informationstechnologie, zu. Allerdings würden infolge der Rationalisierungseffekte weit mehr Jobs eingespart werden. Unterm Strich entpuppe sich das Internet - wie viele technische Neuerungen - als Jobkiller!

Sicher mag das Netz nicht alle wirtschaftlichen Hoffnungen erfüllen, doch in politischer Hinsicht ermöglicht das Internet jedenfalls mehr Partizipation. Darum verlagert sich die Kommunikation sowohl zwischen den Bürgern untereinander als auch zwischen Bürgern und ihrer Regierung zunehmend auf das Internet. Genau darum sei aber die Vernetzung aller Bürger eine Voraussetzung für die globale Zivilgesellschaft, wie Lorenz Fritz, Generalsekretär der Industriellenvereinigung und Gastgeber des Workshops, betonte.

Doch die Verwirklichung einer vernetzten Welt ist noch in weiter Ferne. Einerseits sind rund eine Milliarde Erwachsene Analphabeten, und selbst die Hälfte aller US-Bürger wissen mit Geschriebenem wenig anzufangen. Andererseits fehlt es auch am nötigen Kleingeld: In Moldawien, eine Tagesfahrt von Österreich entfernt, leben 92 Prozent der Bevölkerung von weniger als einem Euro pro Tag. Das reichte gerade für eine Stunde Web-Surfen. Ähnlich dramatisch ist der Mangel an technischen Voraussetzungen: Kaum ein Promille der Afrikaner hat Zugang zum Internet, ein Drittel der Weltbevölkerung hat keinen Stromanschluss, die Hälfte der Menschheit hat noch nie telefoniert. In Manhattan gibt es mehr Telefonleitungen als in Afrika südlich der Sahara.

Daran werde auch Österreich vorerst nichts ändern können, bedauerte Botschafter Georg Lennkh. Zwar sieht auch der Leiter der österreichischen Entwicklungszusammenarbeit im Außenministerium die Vernetzung in Entwicklungsländern als wichtig an, doch zwingen die permanenten Budgetkürzungen zur Setzung von klaren Prioritäten: Wo sauberes Wasser und medizinische Grundversorgung gebraucht wird, ist ein Web-Zugang zweitrangig. Geistreiche E-Mails allein könnten jene 40.000 Kinder nicht ernähren, die täglich weltweit verhungern ...

Geld gebe es mehr als genug, es müsse nur besser verteilt werden. Dazu müssten wiederum erst die rechtlichen Rahmenbedingungen der Weltwirtschaft verändert werden, forderte Franz-Josef Rademacher vom "Global Society Dialogue". Die Besteuerung von Aktienumsätzen und Flugbenzin könnte die Bekämpfung der globalen Armut mitfinanzieren. Zwar hätte die neue US-Regierung bislang jede Kooperation in diese Richtung blockiert, aber gerade darum sei die gegenwärtige Krise auch als Chance für einen Neubeginn zu betrachten: Nach Abflauen der instinktiven Defensive würde zweifellos ein Denkprozesse über das "Warum" des Terroranschlags beginnen. Und dazu gehört auch die Ungerechtigkeit auf der Welt.

Der Autor ist Redakteur des Internet-Magazins "zum Thema".

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