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Seit 1. Juni ist Österreichs Privat-TV auch terrestrisch zu empfangen. Der Kanal "ATV+" gibt sich penetrant fröhlich und reduziert die Welt auf Sex and Crime.

Es gibt Menschen, die halten penetrant zur Schau getragene Fröhlichkeit für unerträglich und die Reduktion der Welt auf Sex and Crime and Fun für inadäquat. Gehört man zu dieser nicht aussterbenden, aber kulturell marginalisierten Spezies, so wird man mit ATV+ keine Freude haben. Seit 1. Juni ist der ehemalige Kabelsender ATV runderneuert in großen Teilen Österreichs über die Hausantenne zu empfangen. Wenn man so will, hat damit die Ära des österreichischen Privatfernsehens begonnen. Als "jung, innovativ, sexy" preist sich ATV+ an. Eine Woche lang bot sich die Möglichkeit zu überprüfen, ob der österreichische Privatsender mit den Eigenproduktionen wenigstens seinen eigenen Kriterien gerecht wird.

Nur Schüttken innovativ

Stichwort "innovativ": Einzig die Comedy-Serie Vor Gebrauch Schüttken (Freitag, 22.25 Uhr) verdient dieses Prädikat. Eine noch etwas unausgegorene, aber anarchische Sendung, in der Prominente veräppelt und Ahnungslose in absurde Situationen verwickelt werden. Für langjährige Furche-Leser hielt die erste Sendung eine Überraschung parat: Niemand anderer als die ehemalige Redakteurin Elfi Thiemer wurde Opfer der genialen Unverschämtheit Thomas Schüttkens.

Ob die ATV+-News (täglich um 19.15 Uhr) innovativ sind, ist Definitionssache. Jedenfalls bestehen sie zum größten Teil aus Mord und Totschlag, Unfällen und Society-Berichterstattung, Politik kommt nur am Rande vor. Eine echte Entdeckung ist die entzückende Sandra Thier, auch wenn sie freudenstrahlend über die Ausschreitungen beim G 8-Gipfel in Evian berichtete. Der Kollege vom Sport, Mark Michael Nanseck, ist der Peter Hofbauer von ATV+: ein unverbesserlicher Langweiler, der ebenso krampfhaft wie vergeblich versucht, witzig zu sein. Immerhin kommen Randsportarten vor, das mag aber auch daran liegen, dass ATV+ etwa für die Formel 1 offenbar keine Bildrechte besitzt.

Nicht innovativ ist die News-Comedy Das Letzte der Woche, die sich stark an die Freitag Nacht Newsauf RTL anlehnt. Die Sendung ist zwar handwerklich ordentlich gemacht, Moderatorin Doris Golpashin hätte allerdings besseres verdient.

Jung? Sexy???

Stichwort "jung": ATV+ begann seine Ausstrahlung mit der gut gemachten Chartshow Energy Hot 30, die sofort auf Viva oder MTV auf Sendung gehen könnte (Sonntag, 16.00 Uhr). Auch Echt - Die Redaktion (Montag bis Freitag, 18.45 Uhr) richtet sich an junge Menschen. Das von der dauergrinsenden Vivienne Vidal präsentierte Boulevardmagazin mit dem irreführenden, weil Ernsthaftigkeit vorgaukelnden Titel bringt alles, worauf junge Menschen angeblich abfahren und zeigt Bilder, die der ORF seinen Sehern aus guten Gründen vorenthält: etwa eine Videoaufnahme, wie sich ein junger Mann beim Sprung in eine Schwimmbecken schwer verletzt. Bei Hi Society (Montag bis Freitag, 18.30 Uhr) bekommt "jung" einen peinlichen Beigeschmack, denn die Adabei-Show wird von ATV-Urgestein Dominic Heinzl präsentiert, einem 39-Jährigen, der noch immer so tut, als wäre er 19.

Stichwort "sexy": Gut, die Moderatorinnen - in diesem Zusammenhang geht es immer um die Frauen - sind generell in junge und daher nicht reizarme Mode gehüllt. Aber die "erotische Wettershow" um 19.29 Uhr, welche die männlichen Österreicher offenbar davon abhalten soll, auf die ORF-ZiB zu schalten, hat mit "sexy", geschweige denn "erotisch" überhaupt nichts zu tun. Konstruierte schlüpfrige Sprüche und eingelernte Hüftschwünge erregen höchstens die Lachmuskulatur und derjenige, der für das - pardon - nuttige Outfit der bedauernswerten Manuela zuständig ist, dem gehört als Strafe zumindest sein ÖKM-Abonnement gekündigt. Trotz weit weniger knapper Bekleidung ist jede andere ATV+-Moderatorin tausendmal sexier als die Wetterfee. Erotik hat mehr mit Verhüllung, denn mit Enthüllung zu tun. Wahre Erotik ist, wenn ORF-Wetterdame Christa Kummer alle zwei Jahre einmal kokett ihr Jäckchen lüpft!

Armer Broukal!

Ein Fremdkörper in dem Ganzen ist der ehemalige ORF-Star Josef Broukal, der Samstags um 19.30 Uhr mit Aha! gegen die ZiB seines ehemaligen Brötchengebers antritt. Armer Broukal! Einst war er Anchorman des ORF, dann warb ihn die SPÖ ab und ließ das Kommunikationstalent versauern, und nun darf er direkt nach dem unsäglichen Wetterbericht ein billiges Wissenschaftsmagazin mit zugekauften Beiträgen auf ATV+ moderieren.

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