Die Nonkonformisten

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Radio Orange 94.0, das einzige freie Radio in Wien, kämpft ums Überleben.

Die Situation ist ernst: Wiens einziges freies Radio, Radio Orange 94.0, kämpft ums Überleben. Akute finanzielle Not zwingt die Macher von Radio Orange nun, bei der Stadt Wien um eine kräftige Finanzspritze anzusuchen.

Die Ursache für die Bredouille, in der sich der Sender befindet, liege beim zuständigen Staatssekretär Franz Morak (ÖVP): "Seit Morak im Jahr 2000 beschlossen hatte, die Freien Radios in Österreich in die ,Selbständigkeit zu entlassen', in einem ersten Schritt die Bundesförderung um 70 Prozent gekürzt und im Jahr darauf vollends gestrichen wurde, klafft in den Alternativen Radiobetrieben in Österreich ein Finanzierungsloch", teilte Radio Orange in einer Aussendung mit. Die "äußerst bedenkliche Politik der ÖVP/FPÖ-Regierung" müsse sich früher oder später zur Existenzbedrohung ausweiten. Orange 94.0 sei definitiv an diesem Punkt angekommen.

Dass die Hoffnung noch nicht ganz dahin ist, beweisen "Sympathiebekundungen seitens der Stadt Wien", wie Manuela Meier, die Pressesprecherin von Radio Orange, berichtet. Gemeinsam mit Wiens Vizebürgermeisterin Grete Laska soll nun ein Rettungsversuch des maroden Senders stattfinden, die Verhandlungen dazu fanden dieser Tage statt. Eine Rettung käme in allerletzter Sekunde: "Wenn wir jetzt kein Geld bekommen, sind wir nicht mehr liquide und müssen bald den Sendebetrieb drastisch reduzieren oder ganz einstellen", sagt Meier. Nachsatz: "Aber das hoffen wir nicht". Konkret geht es um eine Soforthilfe von einer halben Million Euro, die zum Weiterführen des Programms benötigt wird.

Im Büro von Staatssekretär Morak ist man sich auf Anfrage der furche keiner Schuld an der schlechten Situation des freien Radios bewusst. Moraks Pressesprecherin Katharina Stourzh: "Die von uns gewährte Bundesförderung war von vorne herein nur als Initial- und nicht als Dauerförderung gedacht. Außerdem muss für eine Bundesförderung die überregionale Bedeutung eines Senders gegeben sein. Das ist bei den Freien Radios, die überwiegend lokal beschränkt sind, grundsätzlich problematisch". Es wäre zudem nicht möglich, zu sagen: "Ich bin ein freies Radio und deshalb verlasse ich mich auf die Subventionen des Bundes". Laut Stourzh gäbe es genügend Beispiele für andere freie Radiostationen, die einen Gutteil ihrer finanziellen Mittel über private Sponsoringgelder lukrierten.

Das Staatssekretariat von Frank Morak habe Radio Orange dazu aufgefordert, "sich dem freien Markt zu öffnen". Meier: "Aber genau das wollen wir nicht: mehrheitskonform sein." Denn das Radioprogramm ist ein Forum für "Menschen, die sonst keinen Platz in den Medien finden würden", meint Meier. Der Sender hat etwa eigene Programmschienen für Jugendliche, Frauen und Minderheiten. In insgesamt elf Sprachen werden Programme ausgestrahlt. Stolz ist man bei Radio Orange vor allem auf die Sendungsvielfalt und auch auf die zahlreichen internationalen Kooperationen mit anderen freien Radios, etwa in Deutschland, Finnland, Spanien, Italien oder Irland. "Wenn jemand Radio machen will, dann kommt er zu uns, präsentiert sein Konzept und wir können ihm dann dabei helfen, es umzusetzen und eine Sendung zu gestalten", sagt Meier. Dazu gehört eine so genannte "Nullnummer" einer Sendung ebenso wie eine medienrechtliche Einschulung.

Im Fall von Radio Orange 94.0 (Jahresbudget: vier Millionen Euro) kommen rund 50 Prozent des Geldes derzeit auch aus verschiedenen Projekttöpfen der EU, um die "bürokratisch aufwendig" angesucht werden muss. "Wir propagieren in unseren Sendungen sehr viele Projekte, etwa zum Thema Antidiskriminierungsgesetz, wir betreiben ein MigrantInnen-Projekt und bieten auch etliche Radioschulungen", berichtet Orange-Pressesprecherin Meier. Weshalb dem Sender die EU-Förderungen zustünden.

Weitere 14 Prozent des Budgets kommen aus Mitgliedsbeiträgen des als Verein organisierten Senders. "Die Jahres-Förderbeiträge reichen von 29 Euro bis 86 Euro", sagt Meier: "Das ist ein wichtiger Finanzierungsbeitrag." Dennoch: Insgesamt ist das zuwenig.

Derzeit gibt es in Österreich zehn freie Radios, darunter Radio Helsinki in Graz, Radio Fro in Linz oder die Radiofabrik in Salzburg. "Die Finanzierungssituationen dieser Radios sind recht ähnlich", weiß Meier. Überwiegend leisten sich Städte und Gemeinden diesen Luxus der freien Meinung. In Deutschland gelten nichtkommerzielle Radios längst als "gemeinnützig", die die "selbstbestimmte solidarische Gesellschaft" fördern, und für "Gleichberechtigung, Menschenwürde und Demokratie" befruchtet wirken. Diese Sichtweise gilt es nun auch hierzulande zu etablieren, um die Meinungsvielfalt zu erhalten.

Mehr im Internet:

www.orange.or.at

www.freie-radios.de

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