Wie würde Österreich aufschreien, wenn binnen weniger Jahre die ORF-Gebühren, deren Zahlung bekanntlich auch Voraussetzung für den Empfang anderer Programme ist, um etwa 350 Prozent erhöht würden?
Vielleicht macht dieses Beispiel klar, welche Stimmung derzeit bei jenen österreichischen Printmedien herrscht, die größtenteils auf das Vertriebssystem der Post angewiesen sind. Die Zeitungsposttarife sollen bis zum Jahr 2004 auf das Drei- bis Vierfache angehoben werden.
Schon heuer wurden die Tarife um 32,25 Prozent erhöht, viele Zeitungen ringen um ihre Existenz. Das Argument, das seien die Gesetze des freien Marktes, hält nicht. Denn die Post stellt sich nicht wirklich dem freien Markt, solange ihr Monopol in Sachen Briefzustellung behält, und hat insofern kein Recht zu völlig freier Preisgestaltung.
Dass der Staat den Zeitungsvertrieb nicht mehr subventionieren, sondern das Budget sanieren will, ist sein Recht, dass das ohne flankierende Maßnahmen passiert, ist ein Anschlag auf die Medienvielfalt, der vor allem Qualitätszeitungen trifft. In Deutschland und in der Schweiz nahm man sich für die Umstellung von einem geförderten zu einem nicht-geförderten System zehn Jahre Zeit.
Es winkt eine Zeit, in der ganz wenige Medienkonzerne den Markt beherrschen, wie schon die Format-profil-News-Dominanz ("Formil") auf dem Magazinsektor beweist. Auch im elektronischen Bereich ist es fast unmöglich, sich neben dem ORF und wenigen "privaten" Medienkolossen zu behaupten. Da die meisten Menschen ihr politisches Wissen aus den Medien beziehen, sind deren Reichweiten natürlich ein wichtiger politischer Machtfaktor, den die Politiker genau kennen.
Wenn die Politik glaubt, sich mit den verbleibenden Massenmedien schon arrangieren zu können, begeht sie Verrat an der Demokratie und denkt auch kurzsichtig. Denn im Grunde begibt sie sich so immer mehr in die Abhängigkeit von einzelnen Medienzaren. Sollten der Politik die Zeitungsposttarife egal sein, sollte ihr nicht gelingen, mit einer reformierten Presseförderung mehr Medienvielfalt zu sichern, schaufelt sie ihrer eigenen Macht und Gestaltungsmöglichkeit das Grab.
Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.
In Kürze startet hier der FURCHE-Navigator.
Steigen Sie ein in die Diskurse der Vergangenheit und entdecken Sie das Wesentliche für die Gegenwart. Zu jedem Artikel finden Sie weitere Beiträge, die den Blickwinkel inhaltlich erweitern und historisch vertiefen. Dafür digitalisieren wir die FURCHE zurück bis zum Gründungsjahr 1945 - wir beginnen mit dem gesamten Content der letzten 20 Jahre Entdecken Sie hier in Kürze Texte von FURCHE-Autorinnen und -Autoren wie Friedrich Heer, Thomas Bernhard, Hilde Spiel, Kardinal König, Hubert Feichtlbauer, Elfriede Jelinek oder Josef Hader!