Die Schere des Redakteurs

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Nikolaus Harnoncourt sagte in den profil-Sommergesprächen auf recht banale Art und Weise urplötzlich zu Herbert Lackner: "Jede künstlerische Äußerung ist im Grunde politisch!" War man von Haroncourt nicht viel Besseres gewohnt? Die Antwort war einen Tag später, letzten Montag um 19.45 auf atvplus zu finden, wo man dasselbe Interview - nur anders redigiert - sehen konnte. Hier tastet er sich erst langsam an diese Aussage heran. Noch gravierender erscheint die Auslassung folgenden Satzes, der in der textlichen Bearbeitung fehlt: "Europäische Werte von den Leuten zu fordern, ist diktatorisch!" Im profil liest man hingegen bloß von den Zweifeln des Steirers am demokratischen System.

atvplus, auch nicht zimperlich, schnitt frohen Mutes jene Stellen weg, an denen der Stardirigent von Mozart-Verniedlichung und seiner radikalen Ablehnung davon spricht. Erst im profil erfahren wir: Als er noch als Orchestermusiker arbeitete, verließ er nicht zuletzt deswegen die Wiener Symphoniker.

Man sieht: Der Zuschnitt durch unterschiedliche Redakteure gewichtet gewisse Teile des Interviews recht unterschiedlich. Mitunter verrät diese Selektion auch Vorlieben.

Wo mein Verständnis für individuelle Interessen jedoch endet: Der atvplus-Kameramann ließ es sich nicht nehmen, Harnoncourt unentwegt aus schräger Kameraperspektive zu filmen. Vielleicht war es diese technische Unart - sonst ein stilistisches Muß für vorzüglich volkstümliche Musiksendungen -, die Lackner soweit verärgerte, auf dass er unentwegt stotterte. In der Printversion bleiben dem Publikum solche Gemeinheiten Gott sei Dank erspart.

Dafür fotografierte man Lackner und Harnoncourt für das profil mit Reibekuchen. Was lässt sich daraus schließen? Daß der atvplus-Redakteur auf Diät ist?

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