Die "Volkswagen"-Filme

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Der Kultursender 3sat bietet bis November 2001 eine Retrospektive von Fernsehfilmen an.

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Der Kultursender 3sat bietet bis November 2001 eine Retrospektive von Fernsehfilmen an.

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I bin heit immerhin so weit, dass i sagen kann, man hat sein Leben nicht umsonst gelebt ... und das ist vielleicht das, worauf's ankommt ..." Ohne diesen Satz des Helmut Qualtinger alias Herrn Karl wäre Österreich noch unverstandener: Die Kultfigur des Lagerarbeiters, der die bösartigsten Abgründe des gelernten Österreichers ebenso in sich vereinigt wie dessen verqueren Charme, gehört zur Kulturgeschichte des Landes. - Am 27. Dezember hatte der "Herr Karl" einen seiner seltenen Auftritte - im deutschsprachigen Gemeinschaftssender 3sat stand der legendäre Fernsehfilm auf dem Programm.

Seit Ende November 2000 bietet 3sat zum Anlass "50 Jahre Fernsehfilm" eine große Retrospektive des Genres an - jeden Mittwoch um halb elf Uhr nachts wird ein Film aus den Archiven der öffentlich-rechtlichen Sender Deutschlands, Österreichs, der Schweiz und auch aus der verblichenen DDR ausgestrahlt. Bis Mitte November 2001 ist die Reihe geplant - ein Langzeitprojekt des Kulturprogramms 3sat, in dem die beteiligten Sender gerne ihr wertvollstes Programm verstecken.

Nach Erich Neubergs Qualtinger-Verfilmung "Der Herr Karl" von 1961 folgte die nicht minder legendäre TV-Bearbeitung des Joseph-Roth-Romans "Radetzkymarsch" von Michael Kehlmann aus 1965 im Doppelpack (3. und 4. Jänner). Auch die anderen geplanten Wiederausstrahlungen versprechen Fernsehen vom Feinsten: Bernhard Wickis "Das falsche Gewicht" (21. Februar) oder "Eine blassblaue Frauenschrift" (3./4. Juni) des TV-Regie-Giganten Axel Corti. Daneben die "gespielte" Dokumentation "Nicolaikirche" von Frank Beyer über den Anfang vom Untergang der DDR (12./13. September) oder der preisgekrönte österreichische Streifen "Die Siebtelbauern" (Regie: Stefan Ruzowitzky; 24. Oktober), der erst ein, zwei Jahre alt ist. Auch Doris Dörries Kultfilm "Männer" (6. Juni) fehlt nicht, ebenso Exemplarisches aus den Krimiserien der Öffentlich-rechtlichen wie die "Tatort"-Folge "Taxi nach Leipzig" (28. Februar).

Als ",Volkswagen' unter den Filmen" bezeichnet der deutsche Filmwissenschaftler Thomas Koebner den Fernsehfilm, dem mit dieser Retrospektive auf 3sat ein Denkmal gesetzt wird: Kultur für das ganze Volk sei das Motto des Genres gewesen - nicht elitäre Hochkultur. Der Anspruch mutet mittlerweile fast exotisch an: Auch öffentlich-rechtliche Anstalten schmettern heute das Ansinnen auf Qualität, wie sie in diesen Fernsehfilmen zu finden ist, mit dem Hinweis auf fehlende Einschaltquoten ab. Die Verbannung der Retrospektive ins Minderheitenprogramm 3sat ist der für sich sprechende Beleg dieser Einschätzung.

Trotz aller Krisen und Schwierigkeiten ist der Fernsehfilm nach Ansicht des Filmfachmanns Koebner aber durchaus lebendig. Auch dafür legt die groß angelegte Reihe bei 3sat Zeugnis ab. Koebner beschreibt den roten Faden, der die gezeigten Produktionen durchzieht: Beinahe die Hälfte davon beschäftige sich "bisweilen in komischer Drastik, häufiger in aufmerksamer Sympathie - mit der Verfassung von Menschen, die nicht an der Börse spekulieren und von Haus aus behaglich leben können, die vielmehr im Griff von Not, Elend, sogar aufgedrängter Gesetzlosigkeit ausharren, auch am Rand zu einem neuen unbekannten Dasein, Anfänger des Lebens, Verlierer, Eigenbrötler, Unangepasste, keine Glamour-Figuren, gewöhnliche Leute."

"Volkswagenfahrer" eben, stellt Thomas Koebner fest. Und: "Der Fernsehfilm ist immer noch ihr Medium."

Informationen über die 3sat-Retrospektive "50 Jahre Fernsehfilm" finden sich im Internet unter: www.3sat.de/film.html

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