Dirigiertes Schicksal

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Steven Spielberg, der altmodischste Filmemacher der Welt, versucht sich in "Minority Report" erneut an einem Zukunftsthema.

Im Jahr 2054 spielt Tom Cruise einen Dirigenten: In der Rolle des Cops John Anderton führt er einen überdimensionierten Computerschirm aus durchsichtigem, gebogenem Glas, vor dem seine Hände hin- und herfuchteln und damit Bilder und Dateien verschieben. Anderton ist auf Verbrecherjagd: Im "Precrime Department" soll er Morde aufklären, noch bevor sie begangen werden. Neben ihm verharren drei mysteriöse Wesen in einem hellblau lackierten Bassin, die vor sich hinzittern und jene Bilder liefern, mit denen Anderton das Schicksal dirigiert. Ist der künftige Verbrecher via Computer ausgemacht, stürmen die "Precrime"-Einheiten los und nehmen ihn fest, ohne, dass sich dieser einer Schuld bewusst ist. Er hat das Verbrechen ja noch nicht begangen, wird aber in ein in faschistischer Geometrie gehaltenes Massengefängnis der Zukunft gesperrt. Richtig brisant wird es allerdings erst, als sich Anderton selbst als künftiger Mörder entlarvt ...

Steven Spielberg visualisiert in "Minority Report" die Phantasien des Science-Fiction-Autors Philip K. Dick und kleidet seine Visionen von einer unmündigen Gesellschaft in effektschwangere Bilder: Eine spektakuläre Zukunftsgeschichte, in der sich jeder Bürger zwecks Wahrung der nationalen Sicherheit unterordnen muss. Der Polizeistaat ist Realität, die Freiheit besteht nur mehr auf dem Papier. Dass Spielbergs Film gerade jetzt erscheint, während die Regierung Bush unter dem Deckmantel des Terrorkriegs die Grundrechte aushebeln will, ist sicher purer Zufall - aber passend.

Spielbergs filmische Motive, seine Themen und Überthemen, seine Metaphern und Personenkonstellationen gehören zu den ältesten überhaupt. Und das, obwohl seine Filme in der Zukunft spielen. Auch visuell ist Spielberg ein Mann von gestern, was seinen Filmen allerdings die spezielle Qualität des exzeptionellen Spektakels verleiht. Spielberg, der Komponist, hat seine Filme vor dem ersten Drehtag im Kopf bereits vollendet. Alles ist da, alles ist perfekt. Emotionale Momente passieren - ohne Schnitt - meist innerhalb des Bildes, in der mise en scène. Er lässt seinen Figuren Raum und Zeit, um zu agieren. Die Emotionen sind es, auf die Spielberg alle seine Geschichten aufbaut, nicht die Technik. Das ist zwar altmodisch - aber deshalb noch nicht schlecht. Denn Spielbergs Emotionen-Cocktail ist im Fall von "Minority Report" erneut derartig hochprozentig, dass der bestraft wird, der wegschaut.

Die Art, wie er seine Geschichte erzählt - in überstrahlten, kalten Bildern - , lässt erfreulicherweise darauf schließen, dass für den Meister der Phantasie die Tage vorbei sind, in denen er Wert darauf legte, den größten, besten und teuersten Film aller Zeiten zu drehen. Das überlässt Spielberg mittlerweile anderen.

Minority Report. USA 2002. Regie: Steven Spielberg. Mit Tom Cruise, Colin Farrell. Verleih: Fox. 145 Min.

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