"Eher sperren Multiplexe zu!"

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Viennale-Direktor Hans Hurch über die Zukunft der Wiener Innenstadtkinos, seine Pläne für das Gartenbau, die Programmgestaltung des diesjährigen Festivals und das Geheimnis eines guten Films.

Die Furche: Sie sind als Direktor der Viennale geradezu berufsmäßig ein Filmfreak. Wie oft gehen Sie ins Kino?

Hans Hurch: Das ist unterschiedlich. Manchmal eine Woche gar nicht und bei Festivals sechs bis sieben Mal pro Tag. Ich habe mir einmal ausgerechnet, dass ich durchschnittlich zweieinhalb Filme am Tag sehe.

Die Furche: Sehen Sie sich jeden Film bis zum Ende an?

Hurch: Nein. Es gibt schon Filme, bei denen man recht schnell spürt, dass sie nicht interessant sind. Das ist wie bei einem Glas Milch. Wenn man beim ersten Schluck spürt, dass die Milch sauer ist, dann wird man das Glas nicht austrinken. Und es gibt Filme, wo man einfach spürt: Es stimmt nicht.

Die Furche: Was macht einen Film für Sie interessant?

Hurch: Es gibt eine Mischung aus verschiedensten Aspekten, die einen guten Film ausmachen, aber keine Liste von Kriterien. Ich finde es immer spannend, was das Kino über die Welt erzählt, und weniger, was es über den Regisseur erzählt.

Die Furche: Deckt sich ihr Geschmack mit der Programmauswahl für die Viennale?

Hurch: Alles was mir gefällt, würde ich zeigen - und umgekehrt. Wenn man beginnt, von sich selbst zu abstrahieren, kann man gleich aus Listen und Zeitungen abschreiben. Aber dann gibt es auch Beiträge, wo ich mir denke, das ist vielleicht nicht der tollste Film aller Zeiten, aber dass er zum Beispiel um ein Uhr nachts den Leuten im Gartenbaukino gefallen könnte.

Die Furche: Die Viennale ist angetreten, das Gartenbaukino zu retten. Ist es möglich, ein Kino dieser Art wirtschaftlich zu führen?

Hurch: Ja und nein. Rein wirtschaftlich geht es im Gartenbaukino nicht, weil allein die Miet- und Reinigungskosten sehr hoch sind. Aber die Stadt Wien hat sich bereit erklärt, einen Teil der Kosten zu übernehmen, da es auch einen kulturellen Wert für die Stadt hat und deshalb erhalten werden soll. Wir hätten es aber nicht übernommen, wenn wir nicht glauben würden, dass es funktionieren kann.

Die Furche: Wird es dann das ganze Jahr über ein wenig Viennale geben?

Hurch: Das Gartenbau wird mit der Viennale neu eröffnet. Als erstes kommt dann der neue Film von Aki Kaurismäki: "Der Mann ohne Vergangenheit" ("Mies vailla menneisyyttä"). Nach zwei, drei Wochen wissen wir, wie viele Leute kommen. Und dann sehen wir weiter. Wir haben einen guten Ruf und das soll so bleiben. Aber das heißt nicht, dass jeder Film im Gartenbaukino ein Viennale-Film sein muss. Es gibt auch Filme, die einen intimeren Rahmen verlangen.

Die Furche: Könnten Sie sich vorstellen, noch weitere Kinos zu übernehmen?

Hurch: Wir wollen keine Kinobetreiber werden. Je mehr man macht, desto größer wird auch das Risiko. Man hat das bei den City Cinemas gesehen. Wenn das Gartenbau läuft, bin ich schon glücklich. Und ich bin froh, dass das Metro-Kino vom Filmarchiv Austria übernommen wird - eine ideale Lösung.

Die Furche: Wie steht es derzeit um die Innenstadt-Kinos? Wie viele sind rettungsbedürftig?

Hurch: Da werden eher Multiplex-Kinos zusperren als alte Kinos. Die haben sich selbst ein Überangebot geschaffen, das sich jetzt nicht rentiert.

Die Furche: Sind Sie ein Multiplex-Verweigerer?

Hurch: Eigentlich nicht. Die Multiplexe haben zum Teil eine sehr hohe Ton- und Bildqualität. Es gibt Säle, wo ich froh wäre, wenn ich sie bei der Viennale hätte. Auch die Sitze sind bequem, aber das ganze Ambiente hat kein Flair. Zum Beispiel die Village Cinemas: Das ist eigentlich ein sympathisches Multiplex, da gibt es eine Buchhandlung und eine Bar, und es liegt zentral bei Wien Mitte. Aber das funktioniert auch nicht - vor allem wegen der Programmgestaltung.

Die Furche: Wie könnte man es besser machen?

Hurch: Man muss viel mehr mischen. Ein Publikum besteht aus verschiedenen Minderheiten, und auch der Mainstream ist nicht so einheitlich wie man glaubt.

Das Gespräch führte Sabine E. Selzer.

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