Ein Mann, ein Magazin

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"Wir werden ihresgleichen nicht mehr sehen", rief Rudolf Augstein im März dieses Jahres der Zeit-Mitherausgeberin Marion Gräfin Dönhoff nach. Nun sind die selben Worte über Augstein zu sagen - und hätte Dönhoff Augstein überlebt, griffe sie jetzt wohl selbst zur Feder, um des Spiegel-Herausgebers und -Gründers zu gedenken: Auch seinesgleichen werden wir nicht mehr sehen.

Seines- und ihresgleichen: Das waren die großen Verleger- und/oder Journalistengestalten, die, geprägt von den Katastrophen des 20. Jahrhunderts, am demokratischen Wiederaufbau nach 1945 mitwirkten: Gerd Bucerius (Zeit), Henri Nannen (stern), Axel Springer, Dönhoff, Augstein ...

Kurz vor Augsteins Tod konnte man allerorten über jene Ereignisse lesen, durch die das Magazin endgültig zu dem wurde, was es ist: die "Spiegel-Affäre" vor 40 Jahren, Höhe- und Wendepunkt des Kampfes mit Franz-Josef Strauß (und Konrad Adenauer). Manches, was da in den letzten Wochen geschrieben wurde, geriet beinahe zur Kanonisierung von Augstein und seinem Blatt - doch dass der Spiegel die Geschichte der Bundesrepublik mit geschrieben hat, dass er maßgeblicher Bestandteil ihrer politischen Kultur geworden ist, wird niemand bestreiten.

Augstein selbst wurde in späteren Jahren gelegentlich nationaler, gar antisemitischer Töne geziehen. In Wahrheit war er wohl ein Freigeist, nicht einordenbar, dem als "liberal" galt, was seiner Sicht der Dinge entsprach. Der Abschied von der D-Mark zugunsten des Euro war seine Sache nicht, Joschka Fischers Europa-Visionen gingen ihm viel zu weit, die Politik von US-Präsident Bush geißelte er bis zuletzt. Für die deutsche Wiedervereinigung zollte Augstein gar Helmut Kohl, dem katholischen Pfälzer im Kanzleramt, der ihm, dem gebürtigen Hannoveraner, gewiss wesensfremd war, Respekt: "Chapeau, Kanzler", schrieb er damals.

Den Hut zu ziehen gilt es nun auch, ein letztes Mal, vor einem der Großen des Journalismus. RM

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