Ende des Ebenmaßes

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Oberösterreich: Der für Herbst 2006 angekündigte Start der Fellner-Tageszeitung wird die Medienlandschaft der Region ordentlich verändern.

Raiffeisen-Chef Ludwig Scharingers jährliches Medien-Sommerfest in Linz verspricht am kommenden Freitag laut Einladungstext die Pflege "netter Traditionen". Aber bei Oberösterreichs Medienmachern und auch bei manchen Politikern liegen die Nerven blank. Die künftige Fellner-Tageszeitung Österreich x wird manche nette Traditionen in Oberösterreich durcheinander bringen.

Wolfgang Fellner setzt, vom bevölkerungsdichten Wien einmal abgesehen, mit seiner lifestyle-tauglichen Zeitung ausgerechnet in Oberösterreich an. Dort baut der vom WirtschaftsBlatt engagierte Oberösterreicher und journalistische Profi Gerhard Marschall eine personell gut ausgestattete Redaktion auf. Sie wird ihre Oberösterreich-Seiten zweifellos nicht dazu verwenden, den Pegelstand der Donau in Linz zu registrieren, sondern um in die Landespolitik hinein zu funken. Dies noch dazu im heißen Nationalratswahlkampf.

Weil Scharinger Scharinger ist

Und damit erhebt sich die unangenehme, im Medienfrieden des Bundeslandes geradezu ordinäre Frage: Wie wird sich dieses Fellner-Blatt, das aus der Sicht der etablierten Oberösterreicher wie ein Boxerhund mit Flöhen am Gartentor einer noblen Vorstadt-Villa auftaucht, assimilieren lassen?

Monatelang war im Land ob der Enns Gefahr zu wittern, dass sich ein Teil der Medien auf die Seite des Newcomers schlägt, nach dem Prinzip: If you can't beat him, join him. Im Verdacht stand vor allem die Wochenzeitung Oberösterreichische Rundschau. Sie wurde aber unter der kundigen Führung ihres Miteigentümers Ludwig Scharinger, des Chefs der Raiffeisenlandesbank Oberösterreich, rechtzeitig in ihrer Eigentümerstruktur umgebaut und in einem zweiten Schritt an die Leine genommen.

Allzu forsche Äußerungen aus dem neuen Rundschau-Management unter dem Mehrheitsgesellschafter Franz Xaver Hirtreiter, das Blatt wolle mit Fellner eine "ganze Palette von Kooperationsmöglichkeiten" ausprobieren, wurden von Scharinger mit der verbrieften Aussage gestoppt: "Es gibt weder Verhandlungen mit der Seite Fellner, noch gibt es eine Allianz gegen oberösterreichische Zeitungen. Die OÖ Rundschau wird sich weiterhin als starke Regionalzeitung positionieren, und es gibt auch keine Allianzen gegen sonstige österreichische Medien."

Dieses Statement enthüllt deutlich, dass die Mitbewerber auf dem Medienmarkt einander aktiv verdächtigen, "Allianzen" mit Fellner zu bilden. Die OÖ Rundschau" gehört zu 57 Prozent Hirtreiter, zu drei Prozent der Landes-ÖVP und zu 40 Prozent der Raiffeisenbank. Warum Scharinger mit 40 Prozent den anderen 60 Prozent sagen kann, was sein darf und was nicht, hat einen simplen Grund: weil Scharinger Scharinger ist. Und weil er den Einstieg des ehemaligen Managers der Passauer Zeitungsgruppe Hirtreiter in die Rundschau eigenhändig betrieben hat.

Im Prinzip kann also der Hauptkonkurrent der Rundschau, die zum Wimmer-Verlag Rudolf A. Cuturis gehörende Tageszeitung Oberösterreichische Nachrichten, ruhig sein. Aber ruhig schlafen kann Cuturi auch wieder nicht, denn eng ist es in Oberösterreich sowieso schon genug. Die Kronen Zeitung hat im Bundesland 2005 von 42,6 Prozent Reichweite auf 46,2 Prozent zugelegt, die OÖ Nachrichten sanken von 30,5 auf 27,9 Prozent. Und wenn sich Cuturi soeben entschloss, einen möglichen Einbruch einer Gratiszeitung in Oberösterreich durch die Gründung einer eigenen Gratiszeitung gemeinsam mit den Tirolern zu vereiteln, so wird erst recht alles noch enger. Weder Leser noch Inserenten sind vermehrbar, also können auch die Einkünfte nicht wachsen.

Aus Pühringers Perspektive

Delikat ist die Betrachtung des Medienmarktes aus der Perspektive des Landeshauptmanns Josef Pühringer. In den Oberösterreichischen Nachrichten begegnet ihm bisher zwar journalistische Vielfalt, aber gewiss keine Aufsässigkeit. In der Rundschau, in der seine ÖVP sogar einen Anteil hat, desgleichen. Die Krone als meistverbreitete Tageszeitung zeigte bisher keine Ansätze zur Fundamentalopposition, das Neue Volksblatt gehört als eine der letzten Parteizeitungen sowieso der ÖVP. Der ORF Oberösterreich wird so wie alle föderalen Zweigstellen des ORF wissen, wo es im Land politisch lang geht - nämlich immer Pühringer nach -, das private Life Radio ist eingemeindet, die Gratiswochenzeitung Tips gehört sowieso Cuturi und die Gratis-Sonntagsrundschau der Rundschau.

Mit einem schönen deutschen Wort lässt sich also sagen: Die Medienlandschaft Oberösterreichs ist ebenmäßig. Bisher. Und irgendwie sind alle, die zum Ordnungsgeflecht gehören, dazu verdammt, sich jetzt erst recht anzuklammern, obwohl es in der alten Form nicht mehr lange halten kann.

Der Autor ist freier Publizist und Vorsitzender der "Initiative Qualität im Journalismus".

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