Ende des Versteckens

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In Europa (noch?) unpopulär, in Südkorea gang und gäbe: Das Handy als - familiäres - Überwachungsgerät.

Naja", sagt Kim Tsuy: "Ich kann jetzt nicht mehr behaupten, ich mache Überstunden - meine Freundin weiß doch immer ganz genau, wo ich bin." Der pc-Programmierer, in Seoul zu Hause, hat ein Handy-Programm abonniert, durch das er jederzeit geortet werden kann. Shim You Sun, eine 25-jährige Buchhalterin im weit südlich gelegenen Pusan, reagiert ähnlich: "Wenn mich mein Freund mal nicht wie üblich anruft, muss ich mir keine Sorgen machen, ich muss nur nachschauen - und finde vielleicht heraus, dass er gerade noch in einem Seminar an der Uni sitzt."

"Finde einen Freund"

Südkorea: Das ist das Land, in dem das Handy als Ortungsgerät akzeptiert und etabliert ist - inzwischen. Das war nicht immer so. Schon im Jahr 2000 bot die Telefongesellschaft sk Telecom den Service "Find a Friend" an, der es ermöglichte, einen Handy-Besitzer zu lokalisieren. Dieses ungewöhnliche Angebot erwies sich zunächst als Flop.

Aber viele Terroranschläge später, nach zahllosen Unwetterkatastrophen in aller Welt, also fünf Jahre nach dem ersten Angebot von 2000 floriert in Korea das Geschäft mit den Handy-Ortungen. Technische Basis dafür sind die Strahlungen, die jedes Handy-Gerät abgibt.

Flächendeckende Ortung

Es gibt eine Vielzahl von Möglichkeiten, und sie werden quasi von jeder koreanischen Telefongesellschaft angeboten:

* Für drei Dollar im Monat kann man ein Programm abonnieren, durch das Freunde und Familienmitglieder - sie müssen ebenfalls registriert werden - stets informiert sind, wo sich der betreffende Handy-Besitzer gerade aufhält. Diese Ortung mit Hilfe des Satellitensystems gps hat eine Genauigkeit bis zu 50 Meter.

* Wenn sich Freunde oder Bekannte, die sich entsprechend "digital verabredet" haben, innerhalb einer gewissen Entfernung - sagen wir: zwei Häuserblocks - aufhalten, schrillt das Handy einen Alarm und nennt die genauen Koordinaten. In einigen Fällen kann eine kleine Straßenkarte auf das Handy-Display projiziert werden. Dieser Service wird sogar kostenlos offeriert.

* Nehmen wir an, zwei Personen haben sich für eine bestimmte Zeit irgendwo verabredet - eine wartet am entsprechenden Ort, die andere ist offensichtlich verspätet. Dann kann der Wartende mittels seines Handy herausfinden, wo sich die andere Person gerade befindet, wie weit sie noch entfernt ist - mehr noch: Dieser Service rekonstruiert auch, wo sich die "vermisste" Person binnen der letzten fünf Stunden aufgehalten hat. Dieses Abonnement kostet 29 US-Cent pro Tag.

* 20.000 koreanische Eltern zahlen zehn Dollar pro Monat, so dass sie ständig nachvollziehen können, wo sich ihre Schuldkinder gerade aufhalten. Es kann auch der genaue, geradeste Weg zur Schule programmiert werden - und weicht ein Kind von dem ab, schrillt zu Hause bei den Eltern oder deren Handy ein Alarm.

Diese Art Dienstleitung hat in Korea ein jährliches Wachstum von 74 Prozent. Die Umsätze der beteiligten Telefongesellschaften dürften sich von 500 Millionen Dollar im letzten Jahr auf geschätzte 1,54 Milliarden Dollar im Jahr 2007 erhöhen.

Ladenhüter in den USA

Korea ist auf diesem Sektor Vorreiter und, wenn man so will, "einsame Klasse" - so jedenfalls drückt es ein us-Techniker aus. In seinem Land wurde Vergleichbares angeboten: Eltern sollten für 20 Dollar im Monat stets wissen, wo ihre Handy besitzenden Teenager sind - das Programm "Teen Arrive Alive" wurde zum Ladenhüter. Weniger als 20 Prozent aller Amerikaner, so eine Analyse des Umfrageinstituts Jupiter, sind willens, für derartige Handy-Services zu zahlen. Weder Japan noch Großbritannien können auf diesem Sektor nennenswerte Erfolge verzeichnen.

Und in anderen europäischen Staaten, darunter auch Deutschland und Österreich, melden Bürgerrechtsorganisationen mit nicht geringem Erfolg Einwände an - denen die Koreaner entgegengekommen sind: Ein Gesetz schreibt nun vor, dass nur einwilligende Handy-Besitzer "verfolgt" und geortet werden können, und dass die Telefongesellschaften alle entsprechenden Informationen nicht an Dritte weiter geben dürfen. Es sei denn, wegen "Gefahr im Verzug" liege ein gerichtlicher Beschluss vor.

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