Es geht nicht weiter

Werbung
Werbung
Werbung

"Chilli.cc", Österreichs bekanntestes Online-Jugendmagazin wurde eingestellt. Gründer/Verleger/Herausgeber/Chefredakteur János A. Fehérváry erzählt, warum.

Das Jugendmagazin Chilli.cc startete 1999 als Printprodukt unter den Fittichen der SPÖ Wien. Versuchte Einflussnahmen der Partei trieben das Projekt 2002 schließlich ins Netz. Unter der Devise "scharf, jung, unabhängig" arbeiteten stets etwa 70 redaktionelle Mitarbeiter ehrenamtlich für das seit 2001 wöchentlich erscheinende, qualitativ hochwertige Magazin. Chilli.cc finanzierte sich über Werbung, Content-Verkäufe und Spenden.

Die Furche: Der offizielle Grund für die Einstellung von "Chilli.cc" war die "fehlende unternehmerische Perspektive". Was heißt das genau? Warum ist das gerade jetzt anders als vorher?

János Aladár Fehérváry: Wir sind bei unserer letzten Generalversammlung zu dem Schluss gekommen, dass es einfach nicht mehr so weitergehen kann. Wir hatten zum Leben zu wenig und zum Sterben zu viel. Dass man in der Aufbauphase eines solchen Projekts die eigenen Interessen zurückstellen muss, war uns klar. Wir hatten uns aber erhofft, dass nach sechs bis sieben Jahren zwei bis drei Personen davon leben können, was sich aber leider nicht ausgeht. Dazu kommt, dass die Verhandlungen über eine mögliche strategische Partnerschaft mit einem größeren Unternehmen vor zwei Wochen erfolglos aufgegeben wurden. Wir wollten nicht mehr so weiterwurschteln - außerdem hätten wir uns von diesem Unternehmen ausbeuten lassen, dafür unsere Unabhängigkeit aufgeben müssen. So nicht!

Die Furche: War "Chilli.cc" für Sie dennoch ein Erfolg?

Fehérváry: Für mich persönlich und auch für die Mitarbeiter war das eine tolle Zeit. Ich habe auch in den letzten Tagen Anrufe von zahlreichen ehemaligen Mitarbeitern bekomme, die sich für die Zusammenarbeit und für die Möglichkeit, bei uns etwas zu lernen, bedankt haben. Das ist für mich schon eine Bestätigung. Ich hätte auch gerne weitergemacht, aber ich bin jetzt auch in einem Alter, in dem ich gerne für meine Arbeit etwas zurückbekommen möchte.

Die Furche: Wie schwierig war es, Werbung zu akquirieren?

Fehérváry: Gar nicht. Die Wirtschaft hat in den letzten Jahren durchaus die Online-Werbung entdeckt. Im letzten Jahr hatten wir ohne großen Aufwand etwa 47.000 Euro Werbeeinnahmen. Das war nicht das Problem. Es lag eher am unfairen Markt. Dadurch, dass viele unserer Konkurrenten größere Unternehmen im Hintergrund haben, die Presseförderung bekommen, hatten wir einen großen Nachteil.

Die Furche: Glauben Sie im Lichte dessen, dass ein qualitativ hochwertiges Online-Magazin in Österreich überhaupt langfristig realisierbar ist?

Fehérváry: Nein, glaube ich nicht. Ich habe das auch damals schon gewusst, als ich die Aufgabe des Herausgebers von Chilli.cc angenommen habe. Ich habe aber gehofft, dass sich in den ersten zehn Jahren etwas ändert. Wir haben auch versucht, die Politik auf diesen Missstand hinzuweisen, aber für die politische Klasse hat es eben doch mehr Nachteile, wenn es mehr kritische Medien gibt.

Die Furche: Läuft das nicht auf einen Teufelskreis hinaus, in dem fehlendes Kapital zur Ausbeutung des Personals und dadurch zu weniger Qualität führt?

Fehérváry: Ja, da bin ich ganz bei Ihnen. In Deutschland gibt es Bemühungen, daran durch Förderungen etwas zu ändern. Österreich hinkt da leider nach. Es hat mich deshalb auch überhaupt nicht überrascht, dass das erste Angebot für eine Übernahme von Chilli.cc aus Deutschland kam.

Die Furche: Wie viele Angebote haben Sie schon?

Fehérváry: Wir haben, wie gesagt, ein Angebot von einem großen Medienunternehmen aus Deutschland und zwei weitere von Medienunternehmen aus Österreich. Insgesamt haben wir bisher zwölf Angebote, aber es werden fast stündlich mehr. Besonders wundert mich, dass einige Unternehmen, die noch vor kurzem nicht bereit waren, mit uns Kooperationen einzugehen, jetzt plötzlich wieder anklopfen und zu einer Übernahme bereit sind.

Die Furche: Wie stellen Sie sich die Zukunft von "Chilli.cc" vor?

Fehérváry: Ich stelle da keine Anforderungen. Ich habe damit abgeschlossen, was meine Verkaufsposition ungemein verbessert. Natürlich würde ich mir wünschen, dass es ähnlich weitergeführt wird, aber falls nicht, kann ich auch nichts machen. Auf jeden Fall muss sich unternehmerisch einiges tun. Chefredakteur, Geschäftsführer und Herausgeber in Personalunion, so wie ich das bisher gemacht habe, sollte es nicht mehr geben.

Die Furche: Können Sie sich vorstellen, "Chilli.cc" unter einem neuen Besitzer weiterzuführen?

Fehérváry: Wenn jemand das mit mir weitermachen will, dann gerne, aber nicht mehr gratis. Ich habe einfach in den letzten Jahren den Wert von Chilli.cc erkannt. Um meine Zukunft mache ich mir keine Sorgen. Ich habe ein attraktives Angebot aus Deutschland, das ich, wenn sich nichts Besseres ergibt, annehmen werde. Ich freue mich auch, dass es vielen meiner Mitarbeiter, die schon von anderen Medien abgeworben wurden, ähnlich geht.

Das Gespräch führte Michael Weiß.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung