Fernsehen und Radio: total digital

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Was das digitale Radio betrifft, hält sich Österreich noch bedeckt. Dafür hat das Land, so RTR-Geschäftsführer Alfred Grinschgl, beim Digital-TV einen Traumstart hingelegt. Das Gespräch führte Otto Friedrich

Seit etwa fünf Jahren ist die Expertise zur und die Förderung der TV-Digitalisierung eine wesentliche Aufgabe der Rundfunk und Telekom Regulierungs-GmbH (RTR). Vor wenigen Tagen haben die RTR und die Rundfunkbehörde KommAustria ihre Einschätzungen zum Thema Digitalradio in Österreich veröffentlicht. RTR-Geschäftsführer Alfred Grinschgl zur digitalen Rundfunk-Lage.

Die Furche: Sie haben dieser Tage eine Bedarfserhebung für den digitalen Hörfunk in Österreich präsentiert. Wird nun auch das Radio „digital“?

Alfred Grinschgl: Wir sind ja keine Insel in Europa. Die Länder um uns herum – vor allem Deutschland und die Schweiz – haben schon vor Jahren begonnen, auf digitalen Hörfunk umzuschalten. Wir haben das bisher nicht gemacht – aus guten Gründen. Denn bei uns in Österreich würde zurzeit kaum jemand – wie auch in anderen Ländern Europas – ein Digitalradio nutzen. Wir hätten aber wahrscheinlich auch viel Geld dafür ausgegeben, um nicht zu sagen, beim Fenster hinausgeworfen. Und das wären im Fall von Österreich Dutzende Millionen Euro. Unsere Aufgabe war also, mit den Rundfunkveranstaltern – dem ORF, den Privatradios und den nichtkommerziellen Freien Radios darüber zu sprechen, und wir haben dabei auch die Erfahrungen in Deutschland und der Schweiz eingebunden. Es war unsere einhellige Meinung, dass Digitalradio zwar eine gute Geschichte für die Zukunft ist, aber wir wollen noch abwarten, bis irgendwo wirklich ein Erfolg eintritt.

Die Furche: Ein Problem ist die Frage des Übertragungsstandards für digitale Sender.

Grinschgl: Das ist einer unter vielen Punkten: Natürlich würden wir gern ein Radio haben, das in ganz Europa funktioniert. Das bietet in unseren Augen der Übertragungsstandard DAB+, der in Deutschland und der Schweiz jetzt eingeführt wird. Das wäre eine der Voraussetzungen. Aber noch viel wichtiger ist, dass der Kunde einen Nutzen erkennt. Nur dann wird er auf den digitalen Rundfunk umsteigen. Wenn er keinen Nutzen erkennt, wird er beim analogen Radio bleiben, zumal ja auch alle Radiobetreiber sagen, bei uns in Österreich wird die alte UKW-Frequenz nicht so schnell abgeschaltet werden.

Die Furche: Was wäre ein Nutzen des digitalen Radios?

Grinschgl: Ein Mehrnutzen ist, dass wesentlich mehr Programme verteilt werden. Außerdem gibt es viele Zusatzdaten, die man mit digitalem Radio verbinden kann – zum Beispiel bei der Verkehrsnavigation. Das wäre eine solche Anwendung, die aber wahrscheinlich nicht ausreicht, um den Kunden den Vorteil ausreichend zu erklären.

Die Furche: Um bei diesem Beispiel zu bleiben: Da müssten dann Autoradios umgerüstet werden. Das wird wohl wesentlicher komplexer sein als bei den TV-Geräten, bei denen für den terrestrischen Digitalempfang eine DVB-T-Box vorgeschaltet wird.

Grinschgl: Natürlich. Wir haben das auch mit Vertretern der Autoindustrie diskutiert. BMW oder Audi haben da etwa gesagt, sie brauchen vier Jahre: Wenn wir also heute beschließen, DAB+ einzusetzen, dann dauert es bis 2013, bis es im Audi oder im BMW auch tatsächlich zur Verfügung steht.

Die Furche: Man muss aber auch die gesetzlichen Rahmenbedingungen ändern, will man digitales Radio einführen.

Grinschgl: Wir haben gemeinsam mit dem Bundeskanzleramt ähnlich wie fürs Digitalfernsehen auch für den digitalen Hörfunk einige gesetzliche Maßgaben überlegt, die demnächst umgesetzt werden sollen. Jeder Radiobetreiber, der das will, soll auch Digitalradio betreiben können. Ob er es dann tatsächlich tut, ist dann dem Betreiber überlassen. Wir finden, zur Zeit überwiegen da die Nachteile.

Die Furche: Sie haben in ihrer Bedarfserhebung den ORF, die kommerziellen Privatradios und die Freien Radios befragt. Der ORF und die kommerziellen Radios haben da gemeint: Jetzt noch kein Digitalradio, aber die Option kann in Zukunft interessant werden. Die Freien Radios befürchten dagegen, dass ihre technischen und wirtschaftlichen Möglichkeiten dann überfordert sind.

Grinschgl: Die Freien Radios sind vor allem Lokalradios. Das betrifft übrigens auch kommerzielle Lokalradios: Der DAB+-Standard ist eine gute Möglichkeit, digitales Radio über ein Bundesland oder ganz Österreich auszustrahlen. Für die kleinen Flächen braucht man alternative Technologien. Eine solche könnte der Standard DRM+ sein. Aber sowohl bei DAB+ als auch DRM+ hätte jedes Radio zusätzliche Kosten. Denn die analoge Verbreitung kostet gleich viel wie bisher. Und die digitale Verbreitung käme additiv dazu. Das will sich zurzeit aber niemand leisten.

Die Furche: Bei der Digitalisierung des Fernsehens ist im Gegensatz zum Radio schon sehr viel geschehen.

Grinschgl: Die TV-Digitalisierung ist uns in Österreich bilderbuchhaft geglückt. Wir sind nicht als erste, sondern als zweite oder dritte in Europa eingestiegen, wir haben 2006 begonnen, das analoge TV terrestrisch in Richtung Digitalfernsehen umzuschalten. Inzwischen sind wir aber soweit, dass wir in der Terrestrik ungefähr 90 Prozent der Gesamtbevölkerung mit Digitalfernsehen versorgen könnten. Der weitaus größte Versorgungsbereich ist die Satellitenübertragung – 50 Prozent aller Haushalte holen ihr Programm beim Satelliten! – davon sind nur noch fünf Prozent analog versorgt. Wir reden ja schon von der Abschaltung der analogen Programme auf dem Satelliten!

Die Furche: Und wie sieht es beim Kabel aus?

Grinschgl: Das Kabel-TV hängt ein wenig hinten nach. Aus verschiedenen Gründen. Es gibt viele kleine und einige wenige größere Unternehmen, es gibt keinen Abschaltzeitpunkt vom analogen Fernsehen: Hier wird das TV-Programm noch noch fünf bis zehn Jahre analog verbreitet werden. Das Digitalfernsehen nimmt aber auch hier von Jahr zu Jahr zu. Hier ist vor allem im High Definition TV die Chance groß, auch im Kabelbereich die Digitalisierung weiterzutreiben.

Die Furche: Gibt es hier Fördermaßnahmen für den Konsumenten?

Grinschgl: Wir haben seinerzeit ja die Digitalisierung in der Terrestrik gefördert. Seit zweieinhalb Jahren tun wir das auch im Kabel. Zurzeit fördern wir den Umstieg vom analogen Kabel auf den Empfang von High Definition TV. Und da kann jeder Kunde von seinem Kabelunternehmer oder bei einem Händler einen Gutschein von 40 Euro bekommen und damit eine verbilligte Box für den HD-Empfang kaufen. Seitdem wir diese Förderaktion haben, aber auch seit ORF 1 sein Programm auf HD verbreitet …

Die Furche: … und ORF 2 wird dies ab Dezember ja ebenfalls tun …

Grinschgl: … gibt es auch beim digitalen Kabel-TV einen deutlichen Zuwachs.

Die Furche: Hinter dieser Digitalisierungs-Philosophie steckt ja auch ein politisches Konzept.

Grinschgl: Natürlich könnte man mit politischen Gründen argumentieren. Gleichzeitig sehe ich jedoch klare wirtschaftliche Gründe, auf Digital-TV umzusteigen. Ein wesentlicher Punkt ist, dass man im digitalen Bereich wesentlich geringere Frequenzressourcen benötigt als im analogen Bereich. Auf einem analogen Kanal kann man ein Programm verbreiten, über einen einzigen digitalen Kanal hingegen drei bis vier Programme. Das ist in Wahrheit der Hauptnutzen. Inzwischen dreht sich in Europa, aber auch in Österreich die politische Diskussion um die sogenannte „digitale Dividende“: Da geht es um die Frage, ob ein bestimmter Teil der bisherigen Nutzung von Fernsehfrequenzen, nämlich von 790 bis 862 MHz, ab dem Jahr 2015 ausschließlich an den Rundfunk vergeben werden soll oder teilweise oder zur Gänze an den Mobilfunk, um dort beispielsweise flächendeckend ein mobiles Breitband verbreiten zu können. Das prüfen wir in der RTR-GmbH derzeit und werden in Kürze eine Studie in Auftrag geben.

Die Furche: Die RTR arbeitet auch als Geschäftsstelle für die KommAustria, die Medienregulierungsbehörde und Aufsichtsbehörde für den ORF. Was den öffentlich-rechtlichen Rundfunk betrifft, wird sich nach den jüngsten Vorgaben der EU-Kommission in Sachen ORF einiges ändern: Die KommAustria soll den ORF auch hinsichtlich seines öffentlich-rechtlichen Auftrags genauer unter die Lupe nehmen und im Zuge dieser Entwicklung auch weisungsfrei gestellt werden – was derzeit nicht der Fall ist.

Grinschgl: Die Prüfung des ORF durch die Europäische Kommission fand aufgrund von Klagen von privaten Rundfunkbetreibern und dem Verband österreichischer Zeitungen statt. Um den Vorgaben der EU gerecht zu werden, gab es schon seit Längerem konkrete Verhandlungen. Die wesentlichen Ergebnisse davon werden sich im neuen ORF-Gesetz niederschlagen, wo zum Beispiel die Rechtsaufsicht über das Programm des ORF zur KommAustria kommt. Außerdem wird die KommAustria auch für Public-Value-Kriterien zuständig sein. Der ORF war auch bislang gesetzlich zur Kontrolle verpflichtet – aber eben durch sich selber. Das neue Gesetz soll nun eine Kontrolle von außen sicherstellen.

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