Festival des Friedens

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Die Berlinale zeichnete getreu ihrem Motto "Towards Tolerance" den Flüchtlingsfilm "In This World" mit dem Goldenen Bären aus.

Nach zehn Festivaltagen gehen sie alle am Zahnfleisch: Journalisten, Presseagenten, Filmeinkäufer hasten von Screening zu Screening. Die beliebtesten Plätze im Berlinale-Palast am Potsdamer Platz sind die Randplätze. Da kann man sich unkompliziert davonstehlen, spätestens, wenn man beginnt, auch bei deutschsprachigen Filmen die englischen Untertitel mitzulesen, und einem klar wird: Die Belastungsprobe dieses Festivals wird allmählich zu stark.

Und dann noch das Finale: Just, als Jurypräsident Atom Egoyan am Samstag Nachmittag die Preisträger verlas, demonstrierten draußen Hunderttausende Berliner gegen den Krieg. Bei all dem Trubel schienen die Bären in Berlin ein wenig unterzugehen.

Krieg und Flucht

Doch der strahlende Sieger des Festivals passte wie die Faust aufs Auge zum Motto der Filmschau: "Towards Tolerance" war der Slogan, der in Vorkriegszeiten zur Besinnung auf den Frieden mahnen sollte. Der Goldene Bär, neben der Goldenen Palme und dem Goldenen Löwen der wichtigste Festivalpreis Europas, ging an den Briten Michael Winterbottom für seine semidokumentarische Arbeit "In This World". Der Film erzählt in dramatischen Bildern die lebensgefährliche Flucht zweier afghanischer Flüchtlinge. Nachdem die Amerikaner Afghanistan 2001 bombardiert hatten, setzte ein riesiger Flüchtlingsstrom nach Pakistan ein. Die lange Flucht, die Winterbottom schildert, mit all ihren Rückschlägen, mit gefälschten Pässen und tagelanger Fahrt in verriegelten Containern, basiert auf dem tatsächlichen Schicksal zweier dieser Flüchtlinge.Winterbottoms eingeblendete Landkarten, seine Off-Kommentare und auch sein unerträglich rührender Soundtrack sind ein wenig zuviel des Guten. Der Preis scheint eher ein politisches Statement als eine Auszeichnung für cineastische Brillanz zu sein.

Blockiertes Hollywood

Politik, die bei den übrigen Preisträgern wohl kaum eine Rolle gespielt haben dürfte: Der Große Preis der Jury für Spike Jonze's "Adaptation" mit Nicolas Cage als blockiertem Drehbuchautor. Hollywood denkt über sich selbst nach, oder zumindest: Über jene Kreativen, die zu den schwächsten Gliedern in der Kette des Hollywood'schen Machtsystems gehören: Die Autoren. Der Regie-Bär ging an Patrice Chéreau, der hier bereits vor zwei Jahren mit "Intimacy" den Goldenen Bären gewann und heuer für "Son frère" ausgezeichnet wurde.

Politik in einer anderen Weise wurde zumindest bei den Preisen für die besten Darsteller deutlich: Bei den Männern wurde Sam Rockwell für seine Rolle in George Clooneys Regiedebüt "Confessions of a Dangerous Mind" prämiert, in dem er die US-TV-Legende Chuck Barris spielt, der neben seiner Game-Show-Schmiede für die CIA über 30 Menschen ermordet haben soll. Clooneys Regiekünste überraschten positiv, zumal er nicht unbedingt zu den besten Schauspielern gehört.

Bei den Damen gab es gleich einen Ensemble-Preis: Meryl Streep, Julianne Moore und Nicole Kidman wurden für "The Hours" ausgezeichnet. Ein Film, der auch im Oscarrennen kräftig mitmischt. Darin liegt vielleicht die etwas andere Form von Politik, die hinter der Preisvergabe steckt: Auffallend, dass die beiden letztgenannten Filme aus der "Miramax"-Schmiede stammen, einem Substudio von Disney. "Miramax"-Produzent Harvey Weinstein hatte die Berlinale durch Filme wie "Confessions", "The Hours", "Gangs of New York" und "Chicago" mit zahlreichen Hollywood-Stars "ausgestattet".

Leiden und sterben

Dieter Kosslick nahm bereits zum zweiten Mal die Filmauswahl vor, von der einige preiswürdige Filme allerdings von der Jury nicht berücksichtigt wurden: "My Life Without Me" von Isabel Coixet etwa, der den Leidensweg einer 23-jährigen Krebskranken schildert. Oder auch Spike Lees Drama "25th Hour" über einen Mann, der nur noch einen Tag in Freiheit hat, bevor er für sieben Jahre ins Gefängnis muss. Der Gesamteindruck: Noch nie wurde in einem Berlinale-Wettbewerb soviel gelitten und gestorben. Das schlägt sich aufs Gemüt.

Aus Österreich waren diesmal keine Filme dabei. Nur "Vöslauer" schaffte es, seine Produkte als "Offizielle Berlinale-Wässer" in den Varianten "ohne", "prickelnd" und "Balance" unterzubringen. Kein Wunder, dass gerade letztere in den stressigsten Festivaltagen stets vergriffen waren, wird ihnen doch eine belebende Wirkung nachgesagt.

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